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Flut von Hurra-Meldungen

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Im Presseverteiler der Bundesregierung ist Maria Böhmer derzeit omnipräsent. Bildungsbeteiligung und Arbeitsmarkt, Existenzgründer und Ausbildungschancen, Kindertagesstätten und Elternarbeit, Einbürgerungen, integrationspolitische Dialoge, strategische Partnerschaften, Radio Multikulti, „Netz gegen Nazis“ und EM-Halbfinale – die CDU-Staatsministerin und „Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration“ läßt seit Wochen keine Gelegenheit aus, um noch größere Anstrengungen bei der integrationspolitischen Planerfüllung einzufordern und zu geloben. Man merkt: Der erste Geburtstag des „Nationalen Integrationsplanes“ rückt näher.

„Über 400 Maßnahmen und Selbstverpflichtungen“ waren am 12. Juli 2007 unter dem Etikett „Nationaler Integrationsplan“ zusammengepackt und von der Bundesregierung beschlossen worden. Nicht nur alle staatlichen Ebenen waren mit an Bord genommen worden, sondern auch gesellschaftliche Akteure – Arbeitgeber und Gewerkschaften, Kirchen, Medien, Sportverbände und selbstverständlich Wohlfahrtsverbände, Stiftungen und weitere Mitwirkende der Integrationsindustrie, die wohl ein gesteigertes Eigeninteresse an dem für allerlei neue „Integrations“-Programme vor allem bei Bildung und Arbeitsmarkt zu erwartenden Geldsegen hatten.

Während sich Bund, Länder und Kommunen für die staatliche Seite zu leidlich konkreten Fördermaßnahmen verpflichteten – versprochen wurde unter anderem die verstärkte Einstellung von Einwanderern in den öffentlichen Dienst und ihre besondere berufliche und sprachliche Förderung –, durften die Einwandererverbände bei ihren „Selbstverpflichtungen“ im Ungefähren verharren.

Türkische Gemeinde versprach Bildungsoffensive

Die „Türkische Gemeinde in Deutschland“ (TGD) versprach etwa „eine Bildungsoffensive für Eltern türkischer Herkunft mit dem Ziel, diese Eltern zu motivieren, zu qualifizieren und zu aktivieren, sich stärker für die Bildung ihrer Kinder einzusetzen“ – mit anderen Worten das zu tun, was für einen Einwanderer, der die Chance erhält, in einem anderen Land sein Glück zu machen, ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

So weit die Theorie. In der Praxis mußte sich Böhmer Mitte Juni wiederum von der TGD mit wüster Polemik gegen die zaghaften Einschränkungen des Zuwanderungsgesetzes beim Ehegattennachzug aus der Türkei überschütten lassen und sagte ihre Teilnahme an deren Jahreskongreß ab – nicht ohne weiter ihre „Dialogbereitschaft“ zu betonen.

Der schöne Plan darf schließlich nicht scheitern, auch wenn Staat und Einwanderungslobby grundsätzlich verschiedene Dinge meinen, wenn sie von „Integration“ reden. Während Böhmer sich also brav an ihrem Teil des „Nationalen Integrationsplans“ abarbeitet und unverdrossen beinahe im Tagestakt „Kindertageseinrichtungen als Orte der Integration“, „mehr Ausbildungschancen für junge Migranten“ und „bessere Chancen für Migranten auf dem Arbeitsmarkt“ beschwört, „Potentiale von Zugewanderten besser nutzen“ will und „Migranten als Existenzgründer vorbildlich“ preist, „positiveren Umgang mit Einbürgerungen“ fordert und Allgemeinplätze wie „Bildungsbeteiligung ist der Schlüssel zur Integration“ repetiert, zeigen die Umworbenen dem deutschen Gemeinwesen die kalte Schulter.

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Zahl der Einbürgerungen geht zurück

 Die Zahl der Einbürgerungen ist im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf nur noch 113.000 zurückgegangen. Ursache ist wohl weniger die Diskussion um einen bundeseinheitlichen „Einbürgerungstest“, gegen den auch Böhmer nichts einzuwenden hat, sondern eher grundsätzliches Desinteresse an tieferer Identifikation mit dem Land, in dem man lebt und dessen Sozialsystem man gern in Anspruch nimmt.

Dieses Desinteresse läßt sich offenkundig auch durch eine Erhöhung der Geldverbrennungsrate bei sozialpädagogischen Maßnahmen aller Art nicht einfach überwinden. Um dieser bitteren Erkenntnis auszuweichen, folgen Böhmers Verlautbarungen einem vertrauten Muster: Magere Erfolge hochreden, dicke Probleme schönreden oder ignorieren, und im übrigen nicht vom ungebrochenen Glauben an die gute alte Tante Wohlfahrtsstaat abfallen, die es für ihre Schutzbefohlenen schon richten kann, soll und muß.

Der Verdacht drängt sich auf, daß der hochgelobte „Nationale Integrationsplan“ bislang vor allem zweierlei gebracht hat: viel Geld für die Integrationsindustrie und viel schöne Worte für die Bürger, die den Spaß mit ihren Steuergeldern bezahlen müssen. Um aufkommende Zweifel am Sinn des Ganzen im Keim zu ersticken, hat Maria Böhmer zusätzlich zu ihrer Flut von Hurra-Meldungen jüngst noch ein ganz neues Kaninchen aus dem Hut gezogen: Anfang Juni präsentierte sie ein Konzept für ein „bundesweites Integrationsmonitoring“, das anhand „wissenschaftlicher Kriterien“ regelmäßig die „Fortschritte der Integrationspolitik“ messen solle.

Offizielle Bilanz im November

Dabei geht es freilich nicht um unabhängige Erhebungen, sondern um die Zusammenfassung vorhandener Daten aus unterschiedlichen Quellen in einem ganz großen Datensammelsurium. Inwieweit – so zwei der „hundert Indikatoren aus 14 Themengebieten“ – der Anteil der Raucher und Übergewichtigen unter den „Menschen mit Migrationshintergrund“ aussagekräftig für das Fortschreiten der Ausländerintegration ist, fragen sich dabei selbst bekennende Multikulturalisten wie der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Wenn die Regierung die eigenen Erfolge bewertet, kommt allemal Selbstbeweihräucherung heraus, argwöhnen Kritiker. Und das ist wohl auch die Absicht dahinter.

Eine erste offizielle Bilanz des „Nationalen Integrationsplans“ will die Bundesregierung im November ziehen. Man darf wohl davon ausgehen, daß das Trommelfeuer optimistischer Meldungen bis dahin nicht verstummen wird.

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