FRANKFURT/MAIN. Die Unternehmensberatung Booz hat die deutsche Gesetzgebung kritisiert, da diese keine Finanzprodukte gemäß dem islamischen Recht ermögliche. Sogenannte islamkonforme Finanzdienstleistungen gelten im Bankwesen als Wachstumsmarkt. Philipp Wackenbeck von Booz schätzt den Markt in Deutschland auf rund 1,2 Milliarden Euro jährlich.
Islamkonforme Banken unterscheiden sich von gewöhnlichen Banken dadurch, daß sie formal keine Zinsen erheben und nicht in Fonds investieren, die aus strenggläubiger Sicht an unzulässigen Branchen beteiligt sind. Dazu zählen beispielsweise Tabak- oder Alkoholkonzerne. Die Gesamtbilanz dieser Banken liegt laut Wackenbeck dieses Jahr bei rund 300 Milliarden Euro.
„Welle schwappt nach Deutschland“
„Es gibt einen weltweiten Trend zu einem stärkeren Einfluß im Bankwesen“, zitiert ihn die Welt. Der Anteil am Bankwesen in muslimischen Ländern liegt derzeit bei rund 15 Prozent. In Saudi-Arabien sind bereits 70 Prozent der Geschäfte mit Neukunden islamkonform. „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann diese Welle nach Deutschland schwappt“.
Nach einer Umfrage seines Unternehmens sind fast zwei Drittel der in Deutschland lebenden Muslime an einer Baufinanzierung gemäß den islamischen Gesetzen interessiert. Auch würden sich rund 40 Prozent entsprechende Versicherungen, Fonds und Konsumkredite wünschen.
Formal zinslose Kredite
Nach der Scharia ist der Geldzins Muslimen eigentlich verboten. Sie dürfen weder Geld gegen Zinsen verleihen noch Kredite aufnehmen. Um dieses Verbot zu umgehen, behelfen sich muslimische Banken mit einem Trick: Will ein strenggläubiger muslimischer Kunde beispielsweise einen Kredit für ein Auto aufnehmen, so kauft die Bank das Auto und „verkauft“ es zu einem überhöhten Preis an den Kunden. Dieser zahlt dann den formal zinslosen Kaufpreis in Raten ab.
In Deutschland ergibt sich dabei das Problem, daß beispielsweise bei einem Immobilienkredit die Grundsteuer gleich zweimal anfällt. Bereits im vergangenen Jahr verlangte die Deutsche Bundesbank eine entsprechende Änderung der Gesetzgebung, damit schariakonforme Kredite gegenüber gewöhnlichen Finanzdienstleistungen nicht benachteiligt werden. Dies diene der Eingliederung der Muslime in die deutsche Gesellschaft, argumentierte damals die Bank, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet.
Nach Informationen der Zeitung hat der französische Finanzminister bereits eine Gesetzesänderung für schariakonforme Geldgeschäfte angekündigt, um den Wettbewerbsnachteil mit Großbritannien auszugleichen. Dort wurden bereits im vergangenen Jahr die Finanzgesetze an die Scharia angepaßt.