ROM/BRÜSSEL. Zum ersten Mal seit 2021 ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte in die EU zurückgegangen. Registrierte die EU-Grenzschutzbehörde Frontex im Jahr 2023 noch rund 385.000 Grenzübertritte, waren es 2024 nur noch etwa 239.000. Das entspricht einem Rückgang von knapp 38 Prozent.
Die deutlichsten Veränderungen gibt es auf der sogenannten Zentralen Mittelmeerroute, also bei Migrationsströmen von Nordafrika aus, vor allem Tunesien und Libyen, über das Meer in Richtung Italien. Innerhalb eines Jahres sanken die Zahlen von 163.000 auf 67.000 Personen – ein Rückgang von etwa 59 Prozent.
Als Grund für den Rückgang nannte Frontex-Exekutivdirektor Hans Leijtens gegenüber der FAZ „eine bessere Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern, insbesondere Tunesien“. Die Kooperation mit dem Land sei „ein wichtiger Faktor für die Zerschlagung der Schleusernetze“. Dabei war die Strecke über das Mittelmeer zuvor einer der am häufigsten frequentierten Wege in die EU gewesen.
Viele Ägypter kommen über Libyen
Mitte 2023 hatten die EU und das nordafrikanische Land eine strategische Partnerschaft beschlossen, zu der auch eine engere Zusammenarbeit im Hinblick auf Migration zählte. Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hatte eine entsprechende Initiative ergriffen.
Während die Ankünfte in Italien sinken, stieg ihre Zahl im östlichen Mittelmeerraum – in Griechenland –, in Spanien, in Großbritannien und an der Ostgrenze – Polen und Baltikum – an. Um etwa 14 Prozent wuchs die Zahl der Neuankömmlinge im östlichen Mittelmeer. Vor allem reisten Asylbewerber hier von der Türkei auf zahlreiche griechische Inseln.

Auch über den Osten Libyens kamen insgesamt mehr Asylbewerber. Vor allem Ägypter nahmen diesen Weg und stellen dabei die drittgrößte Gruppe dar. Mit Ägypten selbst vereinbarte die EU im Frühjahr 2024 eine Partnerschaft, mit deren Hilfe Fluchtwege über das Land eingedämmt werden sollten.
Serbien führt strengere Visa-Regelungen ein
Über die Türkei kamen vor allem Syrer und Afghanen – wie auch in den Jahren zuvor. Dabei halbierte sich die Zahl der aufgegriffenen Syrer jedoch auf rund 45.000, während die Zahl der Afghanen nur minimal sank.
Abgesehen vom zentralen mediterranen Raum sank die Zahl der irregulären Grenzübergänge auch auf der Westbalkanroute, und zwar um ganze 78 Prozent. Frontex-Direktor Leijtens sah dies als Erfolg einer „verschärften Visumpolitik“ und einer „engeren Zusammenarbeit mit Frontex“. Die Länder der Balkanregion seien bestrebt, sich an EU-Standards anzupassen, inklusive strengerer Grenzkontrollen.
Zudem führten die Balkanländer auf EU-Druck hin eine Visumpflicht für Länder ein, deren Bürger auch für den Eintritt in die EU ein Visum benötigen. Nachdem der Flughafen in der serbischen Hauptstadt Belgrad zuvor zu einem Einfallstor für illegale Einreisen in die EU geworden war, hat das Land seine Visumregeln nun deutlich strenger gefaßt.
Über den Osten kommen Ukrainer
Ausgenommen von dieser Regelung sind türkische Staatsbürger. Sie dürfen zwar ohne Visum nach Serbien reisen, benötigen aber eines für die Einreise in die EU. Dementsprechend sind Türken nach Syrern und Afghanen die Gruppe, die am häufigsten irregulär in die Union reist. Doch auch hier sanken die Zahlen um rund ein Viertel.
Einen deutlichen Anstieg der Ankünfte gab es auf den westlich von Afrika gelegenen Kanarischen Inseln, die zum spanischen Staatsgebiet gehören. Malier, Senegalesen und Marokkaner versuchten auf diesem Wege, offiziellen EU-Boden zu betreten. Insgesamt stiegen die Ankünfte über diesen Weg um 18 Prozent.
An der nordöstlichen EU-Grenze, vor allem zu Weißrußland und Rußland, verdreifachten sich die Grenzübertritte. Etwa 17.000 Personen kamen auf diesem Weg in die EU. Die meisten davon seien „ukrainische Männer, die sich der Wehrpflicht entziehen, indem sie zwischen den offiziellen Kontrollpunkten hindurchgehen“, sagte Leijtens.
Ungarn nahm die wenigsten Asylanträge entgegen
In der EU genossen sie zwar automatischen Schutzstatus, müßten ihren Übertritt allerdings dennoch heimlich vollziehen, um nicht von ukrainischen Beamten aufgehalten zu werden. Etwa 20 Prozent der Grenzübertritte gingen wiederum auf afrikanische Migranten zurück, die von östlichen Regierungen gezielt in die EU geschleust wurden.

Die Verteilung auf die verschiedenen EU-Länder variiert dabei stark. Während Ungarn lediglich 29 Asylanträge entgegennahm, bearbeitete Deutschland insgesamt 235.925 Anträge. Am niedrigen Ende der Rangfolge befanden sich zudem die Slowakei mit 164 und Litauen mit 361 Anträgen. Am zweitstärksten belastet war Spanien mit 165.398 Anträgen, gefolgt von Frankreich mit 158.512 und Italien mit 154.824 Anträgen.
Die meisten Anträge kamen demnach von Syrern (33,4 Prozent), gefolgt von Afghanen (14,9 Prozent) und Türken (12,7 Prozent). In der EU insgesamt stammen die meisten Antragsteller aus Syrien (15 Prozent), Afghanistan (8,7 Prozent) und Venezuela (7,3 Prozent). (lb)