ROM/Brüssel. Der Europäische Gerichtshof hat mit einem weitreichenden Urteil die Hürden für die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten deutlich erhöht und damit auch Italiens umstrittenes „Albanien-Modell“ ins Wanken gebracht. In Rom sorgt die Entscheidung für Empörung: Ministerpräsidentin Giorgia Meloni warnt vor einem Brüsseler Angriff auf nationale Handlungsspielräume.
Nach Ansicht der Luxemburger Richter dürfen EU-Staaten künftig Herkunftsstaaten nur dann als sicher deklarieren, wenn sie dafür transparente Quellen vorlegen und wenn nicht nur ein Großteil, sondern die gesamte Bevölkerung, inklusive möglicher Randgruppen, dort sicher ist.
In der Praxis bedeutet das: Ist etwa Homosexualität in einem Land strafbar, darf es nicht mehr auf die Liste sicherer Staaten gesetzt werden. Für Meloni ist das ein Affront. „Die Justiz beansprucht Zuständigkeiten, die ihr nicht zustehen“, erklärte sie. Das Urteil gebe Einzelrichtern mit fragwürdigen Quellen mehr Gewicht als demokratisch legitimierten Regierungen. Ihr Prestigeprojekt – Schnellverfahren für Migranten aus sicheren Staaten in albanischen Lagern – droht endgültig zu scheitern.
Meloni sieht nationale Migrationspolitik angegriffen
Zwei Migranten aus Bangladesch hatten gegen Italiens Einstufung ihres Herkunftslandes als sicher geklagt. Die italienische Justiz rief daraufhin den EuGH an. Das nun ergangene Urteil könnte Signalwirkung für ganz Europa haben – auch Deutschland dürfte bei der Einstufung von Staaten wie Marokko, Algerien oder Tunesien künftig in rechtliche Schwierigkeiten geraten.
Unterstützung erhält Meloni von Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU), der zwar grundsätzlich keine Gefahr für Deutschland sieht, aber auf mögliche Konsequenzen bei der Einstufung nordafrikanischer Länder verweist. Pro Asyl hingegen lobt das Urteil und bezeichnet das italienische Modell als „menschenrechtswidrig und ineffizient“.
Ob Italiens Asylzentren in Albanien noch eine Zukunft haben, ist fraglich. 2024 waren die teuren Lager nach Angaben von ActionAid nur an fünf Tagen überhaupt in Betrieb. Für Meloni ist das EuGH-Urteil dennoch mehr als eine juristische Ohrfeige: Es ist ein Angriff auf die Souveränität nationaler Migrationspolitik. (rr)