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Frankreichs Rechte: Bardellas neue Kleider

Frankreichs Rechte: Bardellas neue Kleider

Frankreichs Rechte: Bardellas neue Kleider

Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella: Kein Auftritt ohne Krawatte. (Themenbild)
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella: Kein Auftritt ohne Krawatte. (Themenbild)
Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella: Kein Auftritt ohne Krawatte. Foto: picture alliance / abaca | Lafargue Raphael/ABACA
Frankreichs Rechte
 

Bardellas neue Kleider

Anzug statt Jogginghose, Pragmatismus statt Totalopposition: Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2027 stellt Jordan Bardella den Rassemblement National neu auf. Doch klappt die Strategie?
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Wer macht es: sie oder am Ende doch er? Gut anderthalb Jahre vor den 2027 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich ist im Rassemblement National (RN) die Frage noch ungeklärt, wer für die Rechten nach dem Élyséepalast greifen soll. Tritt Marine Le Pen nach 2012, 2017 und 2022 ein viertes Mal an oder stellt sich der von ihr aufgebaute Kronprinz Jordan Bardella dem Wählervotum?

Der Rassemblement National hat sich die Frage nicht ausgesucht: Eigentlich wäre Le Pen gesetzt gewesen – hätte ihr nicht ein Pariser Gericht im März 2025 einen schweren Schlag versetzt, indem es die 57jährige wegen Veruntreuung von EU-Geldern zu einer Ämtersperre von fünf Jahren verurteilte. Im Juli wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde dagegen ab. Noch hat Le Pen die Hoffnung aber nicht aufgegeben.

„Ich verschwinde doch nicht von der Bildfläche wegen einer Verurteilung, gegen die die Berufung läuft“, sagt sie mit Blick auf ihren Einspruch, über den das Gericht bis Sommer nächsten Jahres entscheiden will. Und Bardella sekundiert: „Es gibt keinerlei Zweideutigkeit darüber, daß Marine Le Pen meine Kandidatin ist.“ Der 29jährige betont aber auch: „Sollte sie morgen verhindert sein, dann wäre ich ihr Kandidat.“

Tatsächlich wird Bardella, der im November 2022 den Parteivorsitz übernommen hat, immer stärker zum öffentlichen Gesicht des einstigen Front National und erfreut sich dabei großer Beliebtheit. Seine Popularität dürfte nicht zuletzt auf sein jugendlich-dynamisches Profil – neuerdings mit Hornbrille und Dreitagebart – zurückzuführen sein, das neue Wählerschichten erschließt.

Rassemblement kann mit 37 Prozent rechnen

Damit steht er pars pro toto für die parteiinterne „Strategie der Krawatte“, die sich bei gleichzeitiger Ausgrenzung der „Jogginghosenfraktion“ immer mehr bezahlt macht. Sowohl in der Nationalversammlung als auch im Wahlkreis ist der Schlips und überhaupt die Anwesenheit für RN-Politiker längst Pflicht. So will die Partei ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen, gerade auch vor Ort bei den Franzosen, wo die Rechten mit Vertretern anderer Parteien vor Publikum zusammentreffen.

An Bardellas Turbokarriere „vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal“ stören sich wenige. Und das, obwohl er den Spruch sogar in besonderer Ausführung umgesetzt hat: Den Hörsaal verließ er nämlich nach nur einem Jahr Geographiestudium an der Sorbonne wieder, und zwar ohne Abschluß. Doch in der Politik entscheiden am Ende die Wahlergebnisse.

Und hier sieht es für „Plan B“ gut aus. In der zweiten Runde der Parlamentswahlen im Juli 2024 holte der RN mit seinen Verbündeten unter Bardellas Führung 37 Prozent der Stimmen. In den vergangenen Monaten taxierten mehrere Institute Bardella auch in der Präsidentschaftsfrage mit Abstand auf Platz eins, jeweils mit Werten über 30 Prozent.

Den Franzosen präsentiert er sich mit markanten wirtschafts- und energiepolitischen Forderungen. So lehnt er Steuererhöhungen ab und betont die Wichtigkeit der Atomkraft für die französische Energiestrategie. Zugleich ist er wesentlich beweglicher, wo Le Pen noch auf eine Totalopposition des „Weder-noch“ setzte.

Bardella spielt sein Blockadegewicht aus

Bardellas Flexibilität hat Gründe: In einem zweiten Wahlgang bräuchte er mehr als 50 Prozent der Stimmen, um in den Élysée einzuziehen. Und dafür ist er auf Bündnisse mit weiteren Wählerschichten im rechten und konservativen Lager angewiesen. Die zu schmieden, braucht Zeit.

Positive Signale gibt es durchaus: Kürzlich lud der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy Bardella zu einem etwa einstündigen Gespräch in sein Pariser Büro ein. Der RN-Chef war Sarkozy zur Seite gesprungen, als der in diesem Jahr aus dem Orden der Ehrenlegion flog, weil er wegen Korruption zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Man dürfe nicht vergessen, „was er für Frankreich geleistet hat“, meinte Bardella da mit Blick auf den Republikaner. Zuvor hatte er Sarkozy bereits ein signiertes Exemplar seiner Autobiographie „Was ich suche“ zukommen lassen.

Zusätzlich befeuert wird die Normalisierung des Rassemblement National durch das unstete Agieren der Konkurrenzparteien. Die Regierung von Ministerpräsident François Bayrou (Mouvement démocrate) sieht sich derzeit der Herausforderung gegenüber, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und ist dabei ziemlich unfähig zu realistischen Einsparungen. Der RN stellt in der Nationalversammlung mit 123 von 577 Abgeordneten die größte Fraktion und hat damit Blockadegewicht.

Für ihn sind Kürzungen bei Sozialausgaben eine rote Linie, weil die Partei ihre Stammwählerschaft der „einfachen Leute“ schützen will. Die beiden großen Themen sind derzeit der Streit um das Renteneintrittsalter sowie die Staatsverschuldung. Sie dürften auch die Debatten im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2027 bestimmen.

Innenminister Retailleau übernimmt die Sprache des RN

Und dann sind da noch die Details des politischen Alltags, die dem Rassemblement National auf seinem Weg der Normalisierung in die Karten spielen, etwa der kürzlich ausgebrochene Streit um den Film „Barbie“ in der Pariser Vorstadt Noisy-le-Sec. Dort hatten die Bewohner per Umfrage eigentlich entschieden, den Film in das Sommerprogramm einer Freilichtaufführung zu nehmen.

Doch da hatten sie die Rechnung ohne die örtliche muslimische Gemeinschaft gemacht. Die nämlich befand den amerikanischen Streifen als nicht „islamtauglich“. Denn: Er stelle Homosexualität offen zur Schau und greife die Würde der Frau an. Bürgermeister Olivier Sarrabeyrouse von der Kommunistischen Partei gab nach und sagte die Filmvorstellung erst einmal ab. Das löste einen riesigen Medienrummel aus, der auf das Konto des RN eingezahlt haben dürfte.

Innenminister Bruno Retailleau (Les Républicains) donnerte gegen die „Zensur durch die Kommunisten“ und die „Halalisierung des öffentlichen Raums“. Es war eine Wortwahl, wie man sie sonst eigentlich vom Rassemblement National erwarten würde. Der aber muß derzeit nur stillhalten und darf seine Umfragewerte genießen, bis es im September in die Verhandlungen über den nächsten Haushalt geht.

Aus der JF-Ausgabe 35/25.

Der Vorsitzende des Rassemblement National, Jordan Bardella: Kein Auftritt ohne Krawatte. Foto: picture alliance / abaca | Lafargue Raphael/ABACA
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