ROM. Die Regierungschefs von neun europäischen Ländern haben am Donnerstag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte appelliert, seine Rechtsprechung in der Migrationsfrage zu ändern. „Wir sind der Auffassung, daß die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch das Gericht in einigen Fällen unsere Möglichkeit, politische Entscheidungen in unseren eigenen Demokratien zu treffen, behindert hat.“
Aus diesem Grund müsse „das richtige Gleichgewicht“ wiederhergestellt werden. Unterzeichnet haben neben den Ministerpräsidentinnen von Dänemark, Mette Frederiksen, und Italien, Giorgia Meloni, auch die Regierungschefs von Österreich, Belgien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen und Polen.
Entscheidungen paßten nicht zur Migrationslage
Sie alle kritisieren, daß das Gericht den Umfang der Menschenrechtskonvention teils zu weit auslege. Außerdem habe sich die Welt „fundamental verändert“, seit viele der Ideen entwickelt worden seien. „Wir leben jetzt in einer globalisierten Welt, in der Menschen in völlig anderen Größenordnungen über Grenzen hinweg migrieren.“
Konkret halten die Regierungschefs dem Gericht unter anderem vor, daß es mit Urteilen zur Ausweisung krimineller Ausländer dazu beigetragen habe, „die falschen Menschen zu schützen“. Sie zeigen sich überzeugt: „Unserer Meinung nach ist Sicherheit für die Opfer und die große Mehrheit rechtstreuer Bürger ein entscheidendes Recht. Und es sollte in der Regel Vorrang vor anderen Erwägungen haben.“
Die Regierungschefs nennen dann drei Punkte, die sie sich wünschen:
- Sie sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben zu entscheiden, wann kriminelle Ausländer ausgewiesen werden.
- Die Regierungen sollen freier darüber entscheiden können, wie die Behörden kriminelle Ausländer überwachen, die nicht abgeschoben werden können.
- Die Regierungen müssen in der Lage sein, feindlichen Staaten entgegenzutreten, die Migrationsbewegungen als Waffe einsetzen.
„Wir wollen die Demokratie beschützen“
„Wir wissen, daß es sich um eine sensible Diskussion handelt“, heißt es in dem Brief weiter. „Obwohl unser Anliegen gerade ist, die Demokratie zu beschützen, wird uns voraussichtlich genau das Gegenteil vorgeworfen werden.“ Die Regierungschefs zeigen sich aber überzeugt, daß sie sich mit ihren Forderungen in Übereinstimmung mit einer Mehrheit der Bürger befinden.
In der Vergangenheit hatte der Europäische Gerichtshof durch seine Urteile wiederholt Maßnahmen einer restriktiveren Migrationspolitik durchkreuzt. So verurteilten die Richter 2021 etwa Dänemark, weil es einem Syrer nicht den Nachzug seiner Frau gestattete. Dänemark hatte das damit begründet, daß sich der Mann noch nicht drei Jahre im Land aufhielt. Das Gericht verwies auf Artikel 8 der Menschenrechtskonvention, in der ein Menschenrecht auf Familienleben festgeschrieben ist. (ser)