WIEN. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in einem aktuellen Interview nicht mit Kritik an der Migrationspolitik Europas und ihrer Architektin Angela Merkel gespart. Die Europäer seien „noch immer nicht in der Lage, ihre Außengrenzen zu schützen“, sagte er im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung.
Stattdessen überlasse man Schleppern die Kontrolle über Zuwanderung, rechtliche Hürden lähmten jegliche Handlungsfähigkeit. Kurz stellt klar: „Solange wir diese Entscheidung aber Schleppern überlassen, sind wir verloren.“
Österreichs damals jüngster Kanzler aller Zeiten (bei Amtseinführung 31 Jahre alt, Anm. d. Red.) kritisiert Angela Merkel (CDU). Ihre „absurde Einladungspolitik“ von 2015 habe versucht, Migranten von den Außengrenzen möglichst schnell nach Mitteleuropa zu transportieren.
Kurz hält AfD-Brandmauer für erfolglos
Mit Blick auf die heutige Lage warnt Kurz vor den Folgen dieser verfehlten Migrationspolitik: Die Gesellschaft verändere sich rapide, in Wiener Schulen seien nur noch 35 Prozent der Kinder christlich, über 40 Prozent muslimisch. In manchen Bezirken sprächen weniger als 20 Prozent der Kinder Deutsch als Muttersprache. Die Sicherheit verschlechtere sich, der importierte Antisemitismus nehme zu: „Wenn der Kampf gegen die illegale Migration nicht gelingt, dann werden viele große Städte irgendwann nicht mehr lebenswert sein.“
Auch mit der politischen Instrumentalisierung der Justiz rechnet Kurz in der NZZ ab: „Die Justiz wird als politische Waffe mißbraucht.“ Der Freispruch im Verfahren wegen Falschaussage sei ein später, aber wichtiger Sieg: „In der Berufungsinstanz habe ich dann nach vier Jahren endlich gewonnen, und das Urteil ist aufgehoben worden.“ Zur AfD-Politik in Deutschland sagt Kurz: „Mein Weg war das nie.“ Die Brandmauer halte er nicht für erfolgreich. Die AfD sei zwar „wesentlich radikaler“ als die FPÖ, ein Parteiverbot hält er jedoch für „demokratiepolitisch höchst problematisch“.
Und zur Frage, ob er noch einmal ins Kanzleramt zurückkehren wolle, antwortet Kurz: „Ich bin ein politischer Mensch, und ich werde auch als Staatsbürger weiterhin meine Meinung behalten. Meinen Beitrag in politischen Ämtern, den habe ich bereits geleistet.“ (rr)