DAMASKUS. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist am Freitag überraschend zu Gesprächen mit dem neuen syrischen Regimes in Damaskus gelandet. Die Grüne hatte im Vorfeld erklärt, „mit ausgestreckter Hand“ nach Syrien zu reisen.
Nach der Landung hielt sie ihre Hand allerdings zurück, als sie von zwei Vertretern der islamistischen Regierung begrüßt wurde. Diese legten ihre rechten Hände jeweils nur auf die eigene Brust, wie ein Video des Spiegel-Journalisten Christoph Schult zeigt. Baerbocks Syrien-Koordinator, Staatsminister Tobias Lindner (ebenfalls Grüne), wurde dagegen per Handschlag begrüßt.
Baerbock trifft Machthaber al-Scharaa
Auch Ahmed al-Scharaa, der neue starke Mann in Syrien, gab Baerbock später nicht die Hand, als sie ihn gemeinsam mit dem französischen Außenminister Noël Barrot aufsuchte. Barrot durfte sich hingegen über einen Händedruck freuen.
Wir haben gespannt gewartet: Kein Handshake zw HTS-Anführer Al-Sharaa und @ABaerbock im Präsidentenpalast von Damaskus. Dem frz. Außenminister schüttelt er die Hand. @tagesschau @ARD_BaB pic.twitter.com/cEhLQexbNT
— Kristin Becker (@kbecker) January 3, 2025
Die jetzt in Damaskus regierende Hajat Tahrir al-Scham (HTS) hat ihre Wurzeln im Islamischen Staat und bei Al-Kaida. In den vergangenen Jahren hat sie sich öffentlich von beiden Terrorgruppen distanziert. Das bedeutet aber keine Abkehr von der konservativen Auslegung des Islam. So zeigte ein Video nach der Machtübernahme, wie HTS-Führer al-Scharaa eine Frau dazu aufforderte, ihren Kopf zu bedecken, bevor er ein Foto mit ihr machte.
Unterstützung beim Wiederaufbau Syriens
Laut Auswärtigem Amt sind Baerbock und Barrot im Auftrag der Europäischen Union unterwegs. Zugleich sind sie die ersten EU-Außenminister in Damaskus. Bereits im Dezember hatte das Auswärtige Amt allerdings eine diplomatische Abordnung nach Syrien geschickt.
Vor dem Abflug bot Baerbock Syrien Deutschlands Unterstützung an, auch für den Wiederaufbau. „Ein politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien ist möglich“, sagte sie.
Zugleich stellte die Ministerin Bedingungen. Einen Neuanfang könne es nur geben, wenn die neue syrische Gesellschaft allen Syrern, auch Frauen und Minderheiten, Rechte gewähre. Diese Rechte dürften nicht „durch zu lange Fristen bis zu Wahlen oder auch Schritte zur Islamisierung des Justiz- oder Bildungssystems unterlaufen werden“.
Baerbock weiß, „wo die HTS ideologisch herkommt“
Al-Scharaa hatte am Sonntag im Interview mit dem emiratischen Sender Al-Arabiya angedeutet, eine neue Verfassung könnte erst in drei Jahren ausgearbeitet, Wahlen erst in vier Jahren abgehalten werden. Am Mittwoch sorgten zudem vom Bildungsministerium angekündigte Änderungen in Schulbüchern für Aufregung, die von Kritikern als Islamisierung der Bildung gesehen werden.
Baerbock betonte nun, man wisse, „wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat“. Zugleich höre und sehe man aber auch „den Wunsch nach Mäßigung und nach Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren“. Die Ministerin verwies darauf, daß Al-Scharaa in dieser Woche Gespräche mit Vertretern der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) geführt hatte, die Gebiete im Nordosten des Landes kontrollieren. (ser)