BRÜSSEL/KIEW. Der Vorsitzende des Ukrainischen Agrarrats, Andriy Dykun, hat Erwartungen an einen EU-Beitritt seines Landes im Agrarbereich gedämpft. Nach seinen Worten könne die Ukraine selbst im Falle eines Beitritts nur rund 20 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Produktion auf dem europäischen Binnenmarkt absetzen. Der Großteil der Ausfuhren werde weiterhin auf traditionellen Märkten stattfinden.
Die Begeisterung für Brüsseler Subventionen hält sich unter ukrainischen Landwirten offenbar in Grenzen. „Unsere Angst vor den EU-Vorschriften ist größer als das Interesse an ihrem Geld“, sagte Dykun in einem Interview mit ukrainischen Medien. Es gehe den Bauern nicht um Almosen aus Brüssel, sondern um marktwirtschaftliche Perspektiven – und diese würden durch die agrarpolitischen Vorgaben der EU eher erschwert.
Dykun macht kein Hehl daraus, daß die Ukraine mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fremdelt. Schon viele EU-Landwirte klagten über die ausufernden Auflagen im Rahmen des sogenannten „Green Deal“. In Kiew verfolgt man das mit Skepsis. Die Hoffnung liege auf einer Übergangsphase und möglichen Reformen im Zuge eines Beitritts. „Zweifellos sind wir nicht darauf erpicht, die EU-Regeln in unserer Landwirtschaft zu haben“, so Dykun.
EU wird Ukraine-Importe reduzieren
Tatsächlich könnte Brüssel bald ohnehin die Notbremse ziehen. EU-Agrarkommissar Christophe Hansen kündigte am Freitag an, daß nach dem Auslaufen eines Sonderabkommens im Juni weniger Agrargüter aus der Ukraine eingeführt werden dürften. Die Importquoten würden „nicht gleich bleiben“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Hintergrund sind Proteste europäischer Landwirte, die sich gegen „unfairen Wettbewerb“ wehren.
Zur Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Rußland hatte die EU 2022 eine befristete Zollbefreiung für ukrainische Agrarprodukte beschlossen. Doch seitdem wächst der Widerstand – insbesondere in Frankreich, Polen und Deutschland. Brüssel reagierte im vergangenen Jahr mit Begrenzungen für bestimmte Warengruppen.
Kiew strebt nun eine Verlängerung der Zollfreiheit an, doch vor allem im Geflügel- und Eiersektor drohen schwierige Verhandlungen. Hansen drängt auf eine schnelle Einigung. Wichtig sei vor allem die Angleichung der Produktionsstandards – insbesondere beim Einsatz von Pestiziden. Ziel sei ein längerfristiges Abkommen. Ob das auch im Sinne der europäischen Bauern ist, bleibt offen. (rr)