WIEN. Der österreichische Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat gedroht, die gemeinsame Asyl-Abschlusserklärung der Regierungschefs beim EU-Gipfeltreffen diese Woche zu blockieren. Sollte kein „klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget“ erzielt werden, könne Österreich die Abschlußerklärung des Europäischen Rats nicht mittragen, sagte Nehammer der WELT.
Damit steht Österreich nach Angaben des Kanzlers nicht alleine da: „Daß das Asylsystem kaputt ist, das sehen auch etliche andere EU-Mitgliedsstaaten so wie wir. Daher haben wir das in einem gemeinsamen Schreiben im Vorfeld des Sondergipfels an Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerichtet.“
Regierungschefs aus acht Staaten haben unterschrieben
Insgesamt haben sieben weitere Staaten die Erklärung unterzeichnet: Dänemark, Estland, Litauen, Lettland, Malta, Griechenland und die Slowakei. In dem Brief werden mehr konkrete Unterstützung der EU-Kommission, sowie ein verstärktes Engagement der Grenzschutzorganisation Frontex gefordert. Ebenso soll die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern verbessert werden, um Abschiebungen zu erleichtern. Als Hebel solle die Visapolitik eingesetzt werden, um die Rücknahmebereitschaft der betroffenen Drittstaaten zu verbessern.
„Unserer Ansicht nach ist das gegenwärtige Asylsystem zerrüttet und es profitieren davon vor allem die zynischen Menschenschmuggler, die aus dem Unglück von Frauen, Männern und Kindern einen Vorteil ziehen“, heißt es in dem Schreiben an die EU-Spitze weiter. Ebenso verlangen die Unterzeichner „schnellstmögliche Fortschritte beim gesamten EU-Migrations- und Asylpakt und eine Revision des Schengen-Grenzcodes und eine Einigung auf Gesetzesvorhaben, die die Situation bei der Migration adressieren“.
Nehammer kündigte zudem eine Zusammenarbeit mit Italien an. Auf Twitter sprach er von einem „guten Austausch“ mit Giorgia Meloni. Österreich würden auf „große Herausforderungen in Hinsicht auf illegale Migration“ treffen.
Good exchange 📞 on migration with my Italian counterpart @GiorgiaMeloni ahead of the special #EUCO meeting in Brussels. 🇦🇹 and 🇮🇹 both are facing tough challenges fighting illegal migration. We agree that we have to make concrete progress at the #EUCO this week.
— Karl Nehammer (@karlnehammer) February 6, 2023
Nehammer sieht Probleme beim Schengen-System
Österreichs Kanzler sieht vor allem deutlichen Verbesserungsbedarf innerhalb des Schengen-Systems. Etwa drei Viertel der mehr als 100.000 Asylantragsteller in Österreich sei im vergangenen Jahr zuvor nicht in einem anderen EU- und/oder Schengen-Land registriert worden. Er bezeichnete dies als ein „massives Sicherheitsproblem für die gesamte Europäische Union“. Wenn Zehntausende die Schengen-Länder durchqueren könnten, ohne kontrolliert zu werden, zeige das, „daß Schengen nicht funktioniert, aber auch, daß das EU-Asylsystem gescheitert ist“.
Die Tatsachen würden oft „negiert und schöngeredet“, betonte er. „Dem müssen wir ein Ende bereiten – seien wir ehrlich und legen wir die Fakten auf den Tisch, dann werden wir auch zu Lösungen kommen.“ (lb)