BUDAPEST. Der ungarische Justizminister László Trócsányi sieht einen tiefsitzenden Mentalitätsunterschied zwischen Ungarn und Westeuropa. „Unsere Weltanschauung ist anders“, saget er der Welt. Ungarn betone „die Kohäsion der Gesellschaft, unsere historischen Wurzeln, unsere Kultur und nationale Identität“. Dagegen werde im Westen „als Folge der Werterevolution der 68er-Bewegung das Individuum vergöttlicht“. In Ungarn stehe das Gemeinwesen im Vordergrund, „unsere kollektive Identität“.
Zwischen West- und Osteuropa diagnostiziert der Minister Kommunikationsschwierigkeiten. „Wir benutzen dieselben Worte, aber sie bedeuten bei uns nicht dasselbe.“ Als Beispiel nannte Trócsányi das Wort „Gleichheit“. Im Westen werde daraus „das Recht aller auf die Ehe abgeleitet. Bei uns gilt die Ehe nur für Mann und Frau“.
Keine Einigung zwischen Ost und West
Ein weiteres Wort, das in West und Ost unterschiedlich definiert werde, sei „Freiheit“. In Westeuropa glaube man an „die grenzenlose Freiheit des Individuums“. Anders in Ungarn: „Wir aber glauben, daß Freiheit mit Verantwortung einhergeht.“ Eine Aussicht auf Annäherung zwischen Ost und West sieht er nicht. „Die Unterschiede in der Interpretation sind teilweise so groß, daß wir manchmal sagen müssen: Da werden wir uns nicht einigen können.“
An den Westen gerichtet mahnte er: „Wenn eine Ideologie die eigene Sicht den anderen aufzwingt, ist das geistiger Totalitarismus.“ Ungarn wolle „nicht gezwungen werden, so zu werden wie die Länder Westeuropas“. Die Integrationsprobleme dort seien offensichtlich. „Wir haben eine homogenere Gesellschaft und wollen diese schützen.“
Zur von zahlreichen europäischen Ländern geforderten Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU äußerte er sich kritisch. „Unsere Sicht ist, daß hier ein Problem mit uns geteilt werden soll, mit dem wir nichts zu tun haben.“ (tb)