PARIS. Die Mehrheit der syrischen Aufständischen besitzt nach Einschätzung der Vereinten Nationen kein Interesse an einer demokratischen Gestaltung des Landes. „Es wurde behauptet, die Rebellen seien Engel“, sagte der VN-Beauftragte Paulo Pinheiro in Paris. „Aber nur eine Minderheit von Kämpfern besitzt eine demokratische Vergangenheit, glaubt an ein vielfältiges Syrien und strebt einen Staat für alle an.“ Stattdessen sei die Mehrheit „sehr weit entfernt vom demokratischen Gedanken“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters.
Der Brasilianer leitet eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen im syrischen Bürgerkrieg. Kommissionsmitglied Carla Del Ponte, die bereits für das Den Haager Kriegsverbrechertribunal im ehemaligen Jugoslawien ermittelte, zeigte sich vom Ausmaß der Verbrechen entsetzt. „Die Grausamkeit dieser Verbrechen ist ungeheuerlich. Ich habe so etwas noch nie gesehen, noch nicht einmal in Bosnien.“
Radikalisierung durch ausländische Kämpfer
Sorge bereitet der Kommission eine zunehmende Radikalisierung des Konfliktes durch Fundamentalisten aus Ägypten, Libyen, Saudi Arabien oder anderen islamischen Ländern. Auch wird die syrische al-Nusra-Front vom UN-Sicherheitsrat nun als Teil des islamistischen Terrornetzwerkes Al-Qaida eingestuft. Die Entscheidung der EU, es künftig einzelnen Mitgliedstaaten zu überlassen, in welchem Umfang sie syrische Aufständische mit Waffen unterstützen, wurde nicht kommentiert.
„Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, zwischen den bösen und den guten Rebellen zu unterscheiden“, stellte Pinheiro fest. „Die Verbrechen werden von beiden Seiten begangen“, bestätigte Del Ponte. Dazu gehören systematische Terrorisierung, Folter und Ermordung von Zivilisten. Anfang Juni wird die Kommission einen Untersuchungsbericht vorlegen, der auf die Auswertung von Opfer- und Zeugenaussagen seit dem Februar dieses Jahres basiert. (FA)