11.04.2011, Bengasi
Im Tibesti-Hotel verhandelt die Delegation der Afrikanischen Union mit den Rebellenführern. Die Abgesandten diskutieren einen Vermittlungsvorschlag. Vor dem Gebäude demonstrieren Hunderte gegen ein solches Arrangement mit Muammar al Gaddafi. Sie schwenken libysche Revolutionsflaggen, sowie die Fahnen Frankreichs, der USA und Katars. Auf der Hauptstraße staut es sich kilometerlang, nachdem viele Fahrzeuge angehalten haben, um vor dem Hotel laut zu hupen – ein Protest gegen die Anwesenheit der AU-Abgesandten, die sie für Marionetten Gaddafis halten. Der Diktator hatte über Jahre Projekte der Organisation finanziert.
Auf der Pressekonferenz verkündet Mustafa Abdul Dchalil, der Präsident des Revolutionsrats, daß es keine Friedenslösung geben könne, die zu einem Machterhalt Gaddafis führe. Die anwesenden Libyer applaudieren. Er vermeldet außerdem, in absehbarer Zeit in jene Länder zu reisen, die den Revolutionsrat als einzig legitime Vertretung Libyens anerkannt haben. Dies sind Frankreich, Italien, Katar und die Malediven.
12.04.2011, Ajdabiya
Die 150 Kilometer lange Strecke von Bengasi in die Front-Stadt Ajdabiya ist von Dutzenden ausgebrannten Fahrzeugen gesäumt. Vereinzelt handelt es sich um Panzer und schwere Artillerie sowie Radaranlagen der Gaddafi-Truppen, die von französischen und amerikanischen Kampfflugzeugen getroffen worden sind. Die Angriffe wurden präzise durchgeführt. Sie haben vor drei Wochen stattgefunden, als die Flugverbotszone beschlossen worden ist. In der Folge wurden Gaddafis Truppen wieder über 150 Kilometer von der Rebellenhochburg weggedrängt. Die vielbeschworenen Verteidigungsstellungen entlang dieser Trasse sind jedoch bis auf eine Zeltstadt mit einem Dutzend Rebellen nicht zu sehen. Journalisten-Kollegen berichten, es würde gar keine geben.
In Ajdabiya selbst sind die Spuren der Straßenkämpfe noch sichtbar. Gestern wurde hier noch gekämpft. Es handelt sich um eine Geisterstadt, die Bürger sind Richtung Bengasi oder Tobruk geflohen. In vielen Gebäuden sind Einschußlöcher zu sehen. Die Straßen sind mit Splittern gesäumt. Entscheidend ist: Ajdabiya befindet sich wieder unter Kontrolle der Revolutionäre. Am westlichen Stadttor sind Dutzende Rebellen versammelt. Sie haben Raketenwerfer und Flugabwehrstellungen. Mit neuen Ferngläsern beobachten sie die Wüste. Der letzte Angriff Gaddafis kam von der Seite. Die Lage ist ruhig, aber angespannt. Die Frontlinie sei 80 Kilometer weiter westlich, vermelden die Kämpfer. Doch inwieweit das stimmt, ist nicht zu beurteilen.
Hier geht es zum vergangenen Tagebucheintrag von Billy Six.