PARIS. Aus Anlaß des 20. Jahrestages des Mauerfalls öffnet Frankreich seine Archive zu außenpolitischen Vorgängen der Jahre 1986 bis 1989. Dies haben Außenminister Bernard Kouchner und Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche am Donnerstag in Paris angekündigt.
Normalerweise wären diese Bestände noch fünf Jahre gesperrt. Kouchner forderte die Historiker auf, sich schnell an die Arbeit zu machen. Ziel dieser vorfristigen Öffnung ist es, die Haltung der französischen Führung unter Präsident François Mitterrand zur deutschen Wiedervereinigung aufzuzeigen.
Verwunderung über DDR-Besuch
Im Januar 1990 soll Mitterand von einer drohenden Wiederkehr der „schlechten Deutschen“ gesprochen haben, die sich ihre nach dem Zweiten Weltkrieg verlorenen Gebiete zurückholen könnten. Deutschland wäre dann „sogar ausgedehnter als unter Hitler“, habe der Staatschef damals befürchtet.
Daß Mitterand der DDR noch kurz vor dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft einen Staatsbesuch abstattete, habe ihn als Regierungsangehörigen damals sehr überrascht, so Kouchner.
„Verpatztes Rendezvous“
Staatssekretär Pierre Lellouche hatte unlängst öffentlich bedauert, daß sich Frankreich seinerzeit so zögerlich verhalten habe. Mitterands Politik vor 20 Jahren sei ein „verpatztes Rendezvous“ gewesen, sagte das für Europafragen zuständige Kabinettsmitglied vor der Pariser Nationalversammlung: „Jetzt, zum 20. Jahrestag, muß das Treffen erfolgreich sein.“
Bereits im September dieses Jahres hatte die britische Regierung sechshundert Seiten Archivmaterial den Mauerfall betreffend freigegeben. Die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher soll bei einem Besuch in Moskau im September 1989 geäußert haben, daß eine deutsche Wiedervereinigung „nicht im Interesse Großbritanniens und Westeuropas“ sei. (vo)