BERLIN. Der Betrieb der Asylunterkunft in Berlin-Tegel hat den Steuerzahler im vergangenen Jahr rund 428 Millionen Euro jährlich gekostet, wie aus einer Recherche von Günter Wallraff gemeinsam mit RTL und dem Stern hervorgeht. Demnach zahle das Land Berlin rund 1,2 Millionen Euro täglich für die Anlage. Zurzeit sollen etwa 3.000 Personen untergebracht sein, womit etwa 400 Euro pro Tag und Asylmigrant ausgegeben werden.
Bereits 2023 flossen laut Bericht des Rechercheteams über 298 Millionen Euro in die Unterkunft. Die Reporter hätten Einsicht in die Zahlen des bislang geschwärzten Betreibervertrages erhalten.
Verwaltungspauschale für DRK und Messe
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Messe Berlin sollen als Träger eine zusätzliche Verwaltungspauschale auf beispielsweise Personalkosten vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) erhalten haben.
Die Messe bekäme 15 Prozent zusätzlich, beim DRK sei die Höhe des Aufschlags nicht bekannt. Im Jahr 2022 sollen aber noch rund eine Million Euro pro Monat an das DRK geflossen seien. Das DRK bestreitet jedoch Profitinteressen und verweist auf „tatsächlich erbrachte Leistungen oder verrechnete Überschüsse“.
Neben den hohen Geldsummen sorgten auch die Zustände vor Ort für Kritik. Eine als Betreuerin des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) getarnte, eingeschleuste RTL-Reporterin berichtete über hohen Personalaufwand. „Beschäftigte haben oft nichts zu tun, Kontrollgänge wirken sinnlos“, schilderte sie den Arbeitsalltag. Als „Beschäftigungstherapie“ bezeichnete ein Schichtleiter die Tätigkeit.
Personalaufwand unverhältnismäßig hoch?
Der Recherche zufolge sei der Personalaufwand trotz der sinkenden Zahl an Neuankömmlingen weiterhin hoch. So sollen 2023 etwa 1.400 Personen täglich mit Aufgaben in der Anlage beschäftigt worden sein.
Das DRK, das wiederum andere gemeinnützige Organisationen wie den ASB für die Betreuung der Untergebrachten engagierte, erklärte gegenüber RTL: „Der Personaleinsatz richtet sich ausschließlich nach dem tatsächlichen Bedarf, fachlichen Standards sowie nach Vorgaben des Landes Berlin.“
Laut ASB könne die Arbeitsauslastung „je nach Tageszeit und Situation schwanken. Ziel ist ein effizienter Personaleinsatz. Die Einsatzleitungen achten auf eine ausgewogene Aufgabenverteilung“.
Amt und Senat wissen Bescheid
Der Berliner Senat und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sind über die Mißstände in Kenntnis gesetzt. „Es ist richtig, daß die Unterbringung der Geflüchteten nicht der sonstigen Praxis in Unterkünften des LAF entspricht. Auch erachten sowohl der Senat als auch das LAF die laufenden Kosten als zu hoch“, teilte ein Sprecher des Landesamts mit.
Die Notunterbringung in Tegel sei aus Sicht des Senats „nicht nur teuer“, sondern „auch nicht geeignet, um Menschen ankommen und sich in die Stadt integrieren zu lassen“.
Neue Unterkunft demnächst bezugsfertig
Dennoch hatte der Berliner Senat bei seiner jüngsten Sitzung beschlossen, den Betrieb der Einrichtung bis 2031 weiterlaufen zu lassen. Das „Ankunftszentrum Tegel“ auf dem Gelände des stillgelegten Flughafens besteht seit März 2022 und entstand somit kurz nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges – ursprünglich für Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet. Insgesamt sollen in den vergangenen drei Jahren 120.000 Personen in Tegel untergebracht worden sein.
Im Dezember 2024 berichtete die Welt von katastrophalen Zuständen vor Ort. Drogen- und Gewaltdelikte sowie mangelnde Hygiene seien keine Seltenheit. Viele Bewohner würden zudem länger als nur für eine kurze Ankunftszeit in Tegel bleiben. Ab Juli 2025 soll jedoch ein saniertes Hotel für 1.200 Ukrainer und Asylmigranten in Berlin-Lichtenberg bezugsfertig sein. (rsz)