BERLIN. Staats- und Medizinrechtler sowie Gastwirte bekämpfen die für den Herbst beschlossene Maskenpflicht. Denn bei den bisherigen milden Verläufen der Corona-Infektionen sei die völlig unverhältnismäßig. Der FDP-Justizminister aber verteidigt den Kompromiß mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sogar gegen Kritik aus der eigenen Fraktion.
Der renommierte Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, Volker Boehme-Neßler, äußert Bedenken, ob die Maskenpflicht überhaupt verfassungskonform ist. Daher spricht er sich dagegen aus: „Bei den zurzeit dominierenden, eher harmlosen Varianten habe ich große Zweifel, daß eine Maskenpflicht verfassungsgemäß ist“, sagte er der Welt.
Wenn Masken Ansteckungen verhinderten und die Erkrankungen sehr schwer seien, wäre eine Pflicht verhältnismäßig. „Aber wenn die Erkrankungen eher harmlos sind, ist eine Maskenpflicht nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig“, so Boehme-Neßler. In Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern könne sie sinnvoll sein. In allen anderen Bereichen wie Einzelhandel, Gastronomie, Veranstaltungen und Schulen sei er jedoch „sehr skeptisch“.
Allein der Herbst kein Argument für die Maskenpflicht
Der Staats- und Medizinrechtler Josef Franz Lindner sieht einen generellen Mangel in der Argumentation für eine Maskenpflicht. „Manche Politiker scheinen zu vergessen, daß allein der Herbst kein Argument für Corona-Maßnahmen ist.“ Die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken, sei ein Grundrechtseingriff – wenn auch kein gravierender. Dennoch brauche es dafür eine gesetzliche Grundlage. Damit diese nicht gegen das Grundgesetz verstoße sei, müßten „Eingriffsschwellen“ definiert werden. Das könnten die Sieben-Tage-Inzidenz, Krankenhausbelegung oder Intensivbetteninzidenz sein.
Eine Maskenpflicht in Schulen hält Lindner sogar für einen schwereren Grundrechtseingriff als anderswo. Seine Begründung: „Zum einen, weil die Tragedauer mit mehreren Stunden sehr lang ist. Und zum anderen, weil der Schüler nicht ausweichen kann. Er muß in die Schule.“
Gastwirte: Drastische Einschnitte nicht gerechtfertigt
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga kritisierte, daß eine Maskenpflicht einer vernünftigen Begründung bedürfe. Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges: „Wir erleben aktuell zwar einen Anstieg der Infektionen, aber vor allem milde Verläufe. Und da sind drastische Einschnitte definitiv nicht gerechtfertigt.“ Die Politik müsse so vorsorgen, daß einschneidende Maßnahmen nicht nötig würden. Die Branche sei durch Inflation, explodierende Energiekosten, steigende Personal- und Lebensmittelkosten bereits jetzt „unter enormem Druck“.
Der FDP jedoch ist der Koalitionsfrieden und eine Einigung mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach wichtiger als die vor allem von ihrer Klientel geäußerten Kritik. Die Wirkung von Masken sei unstrittig, behauptete der von der Partei gestellte Bundesjustizminister Marco Buschmann der Funke-Mediengruppe. „Deswegen wird eine Form der Maskenpflicht in Innenräumen in unserem Konzept sicher eine Rolle spielen.“
FDP kritisiert eigenen Minister
Kritik erhält Buschmann allerdings aus der eigenen Bundestagsfraktion. Deren gesundheitspolitischer Sprecher, Andrew Ullmann, sagte der Welt: „Ich halte eine gezielte Maskenempfehlung für besser als eine allgemeine Maskentragepflicht.“ Bei einer erhöhten Krankheitslast sei es denkbar, eine Maskenpflicht anzuordnen – „ähnlich der bereits geltenden Hotspot-Regelung im Infektionsschutzgesetz“. Eine klare Absage erteilte er der „Maskenpflicht in Schulen und Zugangsbeschränkungen nach Impfzertifikaten“. (fh)