Wer die Entwicklung der Lage im Nahen und Mittleren Osten sachlich betrachtet und dabei keinem politischen Wunschdenken zum Opfer fällt, wird feststellen, daß die Aussichten auf eine friedliche Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts in weite Ferne entrückt sind. Auch der in der israelischen Zeitung Maariv vorgestellte neue US-Nahost-Plan, der Grenzkorrekturen und einen Gebietstausch vorsieht, dürfte an den Realitäten scheitern.
Trotz der 2009 gestarteten Vermittlungsbemühungen des US-Sonderbeauftragten George Mitchell, um die eingefrorenen Friedensverhandlungen neu zu starten, gibt es de facto auf palästinensischer Seite keine Gesprächspartner. Die im Westjordanland von Gnaden Israels regierende Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmud Abbas und die in Gaza an der Macht sitzende islamistische Hamas sind heillos zerstritten. Seit 2007, als die Hamas durch einen Putsch die totale Macht im Gazastreifen übernahm und Abbas’ Fatah vertrieb, gab es unzählige Vermittlungsversuche, um die zerstrittenen Palästinenser-Parteien auszusöhnen.
Es sei nur an den Versuch des saudischen Königs Abdullah erinnert, der einen Scheck in Höhe von einer Milliarde Dollar zugunsten der Streithähne auf den Tisch gelegt hatte. Diese nahmen nach guter arabischer Sitte zwar das Geld und teilten es unter sich auf – doch sie stritten unverdrossen weiter. Das Mandat von Abbas ist inzwischen abgelaufen, in diesem Monat hätten Wahlen stattfinden sollen. Der 72jährige PLO-Führer erklärte zunächst, er werde angesichts der Hoffnungslosigkeit der Friedensverhandlungen nicht mehr antreten. Danach wurden die Wahlen auf den Juni verschoben, und es bleibt mehr als fragwürdig, ob dann gewählt wird, denn in diesem Fall drohte wohl eine demokratisch legitimierte Machtübernahme der Hamas auch im Westjordanland.
Im Westen wird oft auf die prekäre Lage im Westjordanland und in Gaza hingewiesen (JF 43/09), doch das statistische Pro-Kopf-Einkommen der dort lebenden Palästinenser liegt mit 3.380 Dollar weit über dem, was beispielsweise ein durchschnittlicher Syrer, Jordanier oder Ägypter erhält. Den Löwenanteil davon bezahlt der Westen, auch einige Golfstaaten tragen dazu bei. Auch die Lebenserwartung und das Bildungsniveau der Palästinenser ist höher als in anderen nicht-ölproduzierenden arabischen Ländern.
Zusammenhang zwischen Iran- und Palästina-Konflikt
Die israelische Regierung hat nun einen zehnmonatigen Wohnungsbaustopp in den Siedlungen im Westjordanland verkündet. US-Außenministerin Hillary Clinton würdigte dies als „beispiellose“ Konzession, obwohl Jerusalem davon nicht betroffen ist. Premier Benjamin Netanjahu schien damit dem amerikanischen Druck nachzugeben. Abbas‘ Autonomieverwaltung wie Hamas sprachen hingegen von „Augenwischerei“. Unter Barack Obama hat Washington eine Kehrtwende in den Beziehungen zu Israel vollzogen und versucht, das Problem des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten zum Dreh- und Angelpunkt des (de facto nicht existenten) Friedensprozesses zu erklären, was Abbas als politische Unterstützung wahrnahm.
Gleichzeitig verkündete Obama in seiner programmatischen Kairoer Rede (JF 25/09) eine Politik der ausgestreckten Hand gegenüber der islamischen Welt – einschließlich des Iran. Letzteres hat am meisten zur Entfremdung zwischen Jerusalem und Washington beigetragen. Denn Teheran betreibt nicht nur ein umstrittenes Atomprogramm, das dortige schiitische Mullah-Regime hat zudem wiederholt die Vernichtung des jüdischen Staates offen angedroht.
Zugleich unterstützt es die Hamas in Gaza und die schiitische Hisbollah im Libanon aktiv mit Geld, Waffen und militärischer Ausbildung. Die Israelis sahen sich daher gezwungen, die Vorbereitungen für einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen zu beschleunigen. Im Dezember schlug Netanjahu Oppositionsführerin Tzipi Livni die Bildung einer nationalen Einheitsregierung vor – wie bei bevorstehenden Kriegshandlungen üblich. Gleichzeitig berief die Regierung die Leiter aller israelischer Auslandsvertretungen zu einem Treffen nach Jerusalem. Ein Militärschlag wie gegen die irakischen Atomanlagen 1981 schien bevorzustehen.
Doch dann kam das brutale Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle anläßlich des iranischen Ashura-Festes am 27. Dezember. Die Bilder der Toten und Verletzten sowie die zahlreichen Verhafteten, die nun mit der Todesstrafe rechnen müssen, zwangen Obama, das Mullah-Regime als „Tyrannei“ zu verurteilen und der iranischen Opposition die Unterstützung Amerikas zu versprechen. Seine Beschwichtigungspolitik scheint damit endgültig zusammengebrochen zu sein – was die Lage in der Region grundlegend verändert.