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Wer dem Bürger in die Tasche langen kann, der braucht vor der Finanzkrise nicht zu zittern: Nachdem ein Luxemburger Pensionsfonds durch kurzfristig ertragreiche, aber zugleich riskante Anlagestrategien kräftig Miese gemacht hat, soll im Zweifel das EU-Parlament für die Altersversorgungsansprüche geradestehen – sprich der Steuerzahler. Mit von der Partie waren oder sind laut Stern auch mindestens 76 deutsche Abgeordnete – von Union bis Linkspartei. Das läßt sich parteipolitisch schlecht ausschlachten, und dies dürfte das bislang flaue Medienecho auf den Skandal miterklären.

Die Börsenspekulation finanziert das Europaparlament seit 15 Jahren mit viel Geld, aber zunächst ohne Rechtsgrundlage, wie der EU-Rechnungshof schon 2003 beklagte. Den Eigenanteil der Abgeordneten von rund einem Drittel zog die Verwaltung von der steuerfreien Büropauschale ab – unter der Maßgabe, dies aus eigener Tasche wieder auszugleichen. Nachgeprüft hat das niemand – eine Einladung zur Mauschelei.

Zeitweise kamen so über zweihundert Millionen Euro zusammen. Da der Fonds aber bis zu 70 Prozent des Geldes in Aktien steckte, fehlten schon 2007 über 30 Millionen Euro zur Deckung der zugesagten Leistungen. Nach den jüngsten Börseneinbrüchen dürfte mehr als die Hälfte des Vermögens futsch sein, schätzt Volker Looman, der regelmäßig in der FAZ zu Vermögensfragen schreibt. Doch statt die in Aussicht gestellten Zahlungen entsprechend zu reduzieren, verweist der Pensionsverein als Träger des Fonds auf das EU-Parlament: Das müsse für die zugesagten Ansprüche der 478 aktiven und 635 ausgeschiedenen europäischen Parlamentarier auf „private“ Zusatzpensionen aufkommen. Riester- und Rürup-Rentner müssen ihre Ausfallgarantie mit niedriger Rendite hingegen faktisch selbst bezahlen.

„Eigentlich ist nicht einzusehen, daß die Fondsverluste von der Allgemeinheit getragen werden“, erklärte die westfälische CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT. Zudem habe der Fonds ihres Wissens schon früher Verluste gemacht. Andererseits erhielten deutsche EU-Abgeordnete erst ab der zweiten Legislaturperiode Ansprüche auf steuerfinanzierte Altersvorsorge. Deshalb sei ihr 1999, als sie erstmals nach Straßburg kam, die Mitgliedschaft in diesem Verein empfohlen wurden. 2002 sei sie wieder ausgetreten und habe die Beiträge zurückerhalten. Die Pressestelle der Linkspartei wollte sich gegenüber der JF nicht zu ihrem Ehrenvorsitzenden Hans Modrow, der ebenfalls auf der Stern-Liste aufgeführt ist, äußern – ähnlich wie weitere angefragte CDU-, FDP-, SPD- und Grünen-Parlamentarier. Die Linke-Abgeordnete Sahra Wagenknecht bereitet eine Presseerklärung vor, die bis Redaktionsschluß nicht vorlag. Die ehemalige Vizechefin der Republikaner, Johanna Grund, die von 1989 bis 1994 im Europaparlament saß, räumte gegenüber der JF ein, Zahlungen aus einem Pensionsfonds zu erhalten. Einen aktuellen Jahresbericht des Fonds habe sie bislang nicht erhalten; alle Bezüge seien aber in gewohnter Höhe geflossen.

Der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, hat den Fonds zum 1. August 2008 wieder verlassen. Er sei dennoch weiter ein Verfechter der Eigenvorsorge von Abgeordneten. Doch bei dem Fonds (dem er immerhin vier Jahre lang angehörte) sei der Beitrag des Steuerzahlers indes „unangemessen hoch“, räumte er gegenüber der JF ein.

Die Selbstbedienungsmentalität im Europaparlament bot schon oft Stoff für Enthüllungen. Im März 2004 hatte der österreichische SP-Abgeordnete Hans-Peter Martin, der anschließend mit einer eigenen Liste nach Straßburg zurückkehrte, verbreiteten Mißbrauch bei der Reisekosten- und Tagegeldabrechnung angeprangert. Letztere wurde noch immer nicht reformiert.

Für 2004 und 2005 brachte ein EU-Prüfungsbericht gravierende Unregelmäßigkeiten bei der mit fast 15.000 Euro monatlich dotierten Mitarbeiterpauschale an den Tag. Mehrere Abgeordnete schienen die Maximalbeträge skrupellos ausgeschöpft zu haben. Doch statt vom Rechnungshof angemahnter Verschärfungen ließ Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) die Regeln für die Kontrolle der Abgeordnetenspesen rückwirkend sogar noch lockern.

Foto: Mitglied des EU-Parlaments: Verdorbenes Luxemburger Zubrot

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