Mit bemerkenswerten inhaltlichen Debatten, ohne wirkliche Mißtöne und mit einer Neuaufnahme ist am Wochenende im thüringischen Eisenach der traditionelle Burschentag der Deutschen Burschenschaft, des Zusammenschlusses von 126 Studentenverbindungen, über die Bühne gegangen.
Doch gerade die Aufnahme der Altenburgkeller Burschenschaft Jena symbolisiert Tragik und Dilemma, in dem sich einer der größten korporativen Zusammenschlüsse befindet. Bei dem jungen Jenenser Bund handelt es sich um eine Abspaltung einer der Urburschenschaften, der Arminia auf dem Burgkeller. Diese ist nach harten internen Debatten vor rund eineinhalb Jahren aus dem Dachverband ausgetreten, ein gutes Dutzend von Mitgliedern, die diesen Schritt als Aufgabe von Prinzipien aufgefaßt hat, entschloß sich schließlich zur Neugründung.
Dies sorgt in der Saale-Stadt in korporativen Kreisen für beträchtlichen Wirbel. Schließlich wurde dort im Jahr 1815 ebenjene Urburschenschaft gegründet, auf deren Erbe sich die ortsansässigen Bünde Arminia, Germania und Teutonia berufen. Die beiden letztgenannten Bünde habe die Deutsche Burschenschaft ebenfalls im Laufe der vergangenen Jahre verlassen, was schließlich dazu führte, daß die DB an ihrer Geburtsstätte ohne Mitgliedsverbindung da stand.
Diesen äußerst unangenehmen Zustand zu beenden, war sicherlich die Motivation, um der Burgkellerburschenschaft am vergangenen Wochenende einen reibungslosen Wiedereintritt zu ermöglichen. Daß die Arminia gegen die Verwendung des Namens „Burgkeller“ rechtliche Mittel eingelegt hat, störte die Vertreter in Eisenach ebensowenig wie die personelle Schwäche des kleinen Bundes. Dabei schwebt gerade die demographische Entwicklung und die Veränderung der Mitgliederzahlen wie ein Damoklesschwert über dem Dachverband. Derzeit gehören den Mitgliedsvereinigungen rund 10.000 Alte Herren sowie 1.300 aktive Studenten in den Bundesrepubliken Deutschland und Österreich an. Dabei gehen die Zahlen seit Jahren stetig nach unten. Dies hat neben der Überalterung des Verbands eben auch mit Austritten und Abspaltungen der Vergangenheit zu tun, die den Dachverband seit der Wiedergründung im Jahr 1950 in bedauerlicher Regelmäßigkeit belasten.
Standen früher die sogenannte Mensurfrage oder die Zugehörigkeit der österreichischen Burschenschaften zum gemeinsamen Dachverband im Zentrum der Auseinandersetzungen, so sind heute eher inhaltliche Punkte oder finanzielle Aspekte Anlaß für teils erbitterte Querelen. Jeder Bund muß schließlich pro Mitglied einen bestimmten Betrag an die DB abführen, was dazu führt, daß Verbände mit starker Altherrenschaft (die berufstätigen Mitglieder) stärker zur Kasse gebeten werden als eher kleinere Bünde. Da jeder Bund auf dem Burschentag jedoch nur zwei Stimmen hat, fühlen sich die mitgliederstarken Verbindungen in manchen Fragen nicht ausreichend repräsentiert. Daraus resultierten in den vergangenen Jahren Austritte von großen Bünden wie beispielsweise Germania Würzburg oder der Gießener Germania, wobei auch politische Fragen eine Rolle spielten. Die Deutsche Burschenschaft ist ihrem Selbstverständnis nach trotz ihres politischen und staatsbürgerlichen Anspruchs strikt überparteilich ausgerichtet. Bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern haben sich die Einzelbünde nach dem „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ zu richten, welcher sich vom modernen Staatsangehörigkeitsrecht unterscheidet. Nun stoßen eher modern und liberal ausgerichtete Verbindungen mit dem Wunsch, auch Einwanderkinder der zweiten Generation sowie Migranten mit deutschen Paß aufnehmen zu können, auf den Widerstand der konservativen Bünde, welche sich vor allem in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) finden. Diese Interessenverbindung innerhalb der DB wurde 1961 ins Leben gerufen, um dem Wunsch nach einem pflichtschlagenden Prinzip sowie der Einheit der burschenschaftlichen Bewegung in der Bundesrepublik und Österreich eine kraftvolle Stimme geben zu können.
Die BG, der zahlreiche (personell eher kleine) österreichische Bünde angehören, hat in den vergangenen Jahren ihren Einfluß deutlich ausbauen können. Dies spielte bei einigen Austritten der Vergangenheit in Verbindung mit dem bereits erwähnten finanziellen Aspekt die Hauptrolle in den Argumentationen. Der Dachverband jedenfalls wurde durch die internen Debatten und Flügelkämpfe in der Vergangenheit derart geschwächt, daß er seinem eigenen – politischen – Anspruch nur unzureichend nachkommen konnte. Hier deutet sich jedoch Bewegung an.
Mit einer leidenschaftlichen Debatte über Art und Weise der europäischen Einigung hat sich die Deutsche Burschenschaft am Wochenende mit einem Thema beschäftigt, welches zum Bindeglied der künftigen inhaltlichen Ausrichtung werden könnte. Daß man sich nach dem Diskussionsauftakt noch nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen konnte, war letztlich nicht überraschend, positiv ist allerdings zu werten, daß eine Grundstimmung spürbar war, sich künftig mehr mit Zukunftsthemen zu beschäftigen.
Foto: Burschenschafterdenkmal in Eisenach: Abgang der Gründungsmitglieder