Fahrradtouren, volksnahes Grillen, Betriebsbesichtigungen – in Sachsen wird zur Zeit nicht mehr regiert. Die Minister sind mit der Sicherung ihrer Arbeitsplätze beschäftigt. Es herrscht Wahlkampf. Die CDU hat ihn mit Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere am Dresdner Elbufer eröffnet, die SPD mit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Leipzig. Beide Parteien hoffen, daß die am 30. August einzufahrenden Stimmen ihnen ermöglichen, die Große Koalition zu beenden.
Die Christdemokraten streben dabei die Alleinherrschaft an, mit der Biedenkopf nach der Wiedergründung Sachsens 1990 das Land auf Kurs gebracht hat. Notfalls käme aus CDU-Sicht auch eine Koalition mit der FDP in Frage. Deren dynamischer und konservativer Parteichef Holger Zastrow will am Wahlabend mindestens zwölf Prozent der Stimmen erreichen, was einer Verdopplung des Ergebnisses von 2004 entspräche. Während für Zastrow nur die Union als Koalitionspartner zur Debatte steht, ist die SPD ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gegangen. Den Sozialdemokraten geht es um den Machterhalt. Sie hatten 2004 ihre Chance ergriffen, als ihnen trotz des schlechtesten Wahlergebnisses aller Zeiten (9,8 Prozent) von der CDU eine Regierungsbeteiligung angeboten wurde. Obwohl SPD-Chef Thomas Jurk als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister die vergangenen Jahre nutzte, um öffentlichkeitswirksam erste Spatenstiche zu zelebrieren, und kaum ein Richtfest versäumte, liegen die Umfragewerte seiner Partei bei 13 Prozent. Das Wahlziel lautet dagegen 20 Prozent.
Der Linkspartei mit ihrem Fraktionschef André Hahn ist es im Wahljahr gelungen, die innerparteilichen Querelen aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Sie nimmt für sich in Anspruch, die Regierung hart kontrolliert, politischen Druck erzeugt und inhaltliche Alternativen angeboten zu haben. Im Wahlkampf wirbt sie mit mehr Bürgerbeteiligung und Volksentscheiden. Eine Debatte um die Stasi-Vergangenheit beispielsweise des Leipziger Landtagsabgeordneten Volker Külow muß die Partei nicht mehr fürchten: Die durch SPD-„Chefaufklärer“ Karl Nolle bekanntgewordenen DDR-Karrieren etlicher CDU-Funktionäre und vor allem von Ministerpräsident Stanislaw Tillich haben die von der Union im 20. Jahr des Mauerfalls geplante Vergangenheitskampagne gegen die Linke gestoppt. Ziel der Ex-SED sind „25 Prozent plus x“.
Bescheidener gibt sich die NPD, die in der Legislaturperiode vor allem durch die Demontage der eigenen Abgeordneten auffiel. Unter dem Slogan „Arbeit, Familie, Heimat“ hofft Parteichef Holger Apfel „10 Prozent plus x“ zu erreichen. Von den Medien in ihrer parlamentarischen Arbeit weitgehend boykottiert, ist es der NPD gelungen, mit ihren aggressiven Plakaten landesweite Proteste auszulösen und damit ihre Wählerklientel zu mobilisieren.
Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche hat auf die Aufstellung einer eigenen Landesliste seiner Vereinigung „Arbeit, Familie, Vaterland“ verzichtet, hofft aber, unter dem Slogan „Er sagt, was andere verschweigen“ ein Direktmandat erringen zu können.
Ähnlich schwach wie die SPD sind in Sachsen die Bündnisgrünen. Aber auch deren Strategen geben sich optimistisch, wieder in den Landtag einzuziehen und liebäugeln mit einer rot-rot-grünen Koalition.