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Geschichtspolitik mit der Abrißbirne

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Geschichtspolitik mit der Abrißbirne

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Im Norden Dresdens entsteht das modernste Armeemuseum der Welt. Bauherr ist das Verteidigungministerium, das für sein Prestigeobjekt 44 Millionen Euro Steuermittel zur Verfügung stellt. „Baubeginn Oktober 2004, Fertigstellung Ende 2010“, so steht es in militärischer Kürze auf der Bautafel. Im Oktober 2008 war Richtfest. Was die Tafel nicht verrät, sind die Korrekturen. Läge man im Plan, müßte das Leitmuseum der Bundeswehr schon längst eröffnet sein. Und die Baukosten würden neun Millionen Euro geringer sein.

Die Ursachen liegen im Ehrgeiz des Projektes. In Dresden will das Militär durch moderne Architektur provozieren. Kühn und gewagt sollte der Entwurf sein und Museum und Bundeswehr Aufmerksamkeit verschaffen, formulierte vor sechs Jahren der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Am nächsten kam dieser Vorgabe der aus Polen stammende amerikanische Architekt Daniel Libeskind (Jahrgang 1946). Von diesem sei der einzige unkonventionelle Ansatz gekommen, sagt der frühere Museumsdirektor Franz-Josef Heuser. Libeskinds mächtiger Keil aus Stahl, Beton und Glas, der acht Meter über den Triumphbogen des Mittelflügels ragt und den  klassizistischen Gebäudekörper spaltet, gefiel den Militärs. Daß für den das ganze Haus durchziehenden Neubau zehn Prozent der historischen Bausubstanz weichen mußten, spielte keine Rolle. Klotzen statt Kleckern wollte das Verteidigungsministerium. Der Widerstand des Denkmalschutzes wurde weggewischt, indem man den damaligen Landeskonservator Gerhard Glaser für die Idee gewann.

Kurz zuvor war ein anderes, für die Innere Neustadt geplantes Libeskind-Projekt am energischen Protest der Bevölkerung gescheitert. Die Dresdner würden sich „nicht verarschen lassen“ und „zwischen Sinn und Unsinn unterscheiden“, lobte der Publizist Henryk M. Broder und spottete, Libeskind könne nicht anders, als „immer schräge Linien zeichnen, egal was gebaut werden soll“. Die Dresdner jedenfalls vermochten sich mit den schrägen Kanten und Wänden des Architekten nicht anzufreunden. Einige Ältere erinnerte der Entwurf gar an einstürzende Häuser im Krieg. Nicht zu Unrecht.

Die Interpretation von Libeskinds gläsernem „V“ als einem stilisierten Jagdbomber, der sich in das Museum bohrt, ist beabsichtigt. Gleichzeitig soll der Keil Sinnbild sein, für den Mut zum Aufbruch, den die Dresdner nach 1945 hatten. Die Bundeswehr selbst beschreibt die Vergewaltigung des Denkmals so: „Die Offenheit und Transparenz der neuen Fassade steht der Abgeschlossenheit und Massivität der existierenden Fassade gegenüber. So wie die Altbaufassade die Strenge der autoritären Vergangenheit repräsentiert, in der sie entstand, so reflektiert die Neubaufassade die Offenheit einer demokratischen Gesellschaft und die veränderte Rolle ihres Militärs.“ Tatsächlich wurde der geplante Umbau nach dem Libeskind-Entwurf bis zur letzten Minute geheimgehalten und jeder öffentlichen Debatte aus dem Weg gegangen. Die Dresdner hätten, wären sie gefragt worden, gewiß dagegen protestiert, daß das architektonisch anspruchvollste Bauwerk der Albertstadt als Symbol „für Brüche in der Militärgeschichte“, wie es Museumsdirektor Oberstleutnant Ferdinand von Richthofen formuliert, herhalten muß.

Die Albertstadt wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg als eine der größten zusammenhängend gebauten Militärstädte Europas errichtet. Mittelpunkt ist das Arsenal, eine  im klassizistischen Stil 1874/75 im Auftrag der Königlich-Sächsischen Militärbaudirektion erbaute Dreiflügelanlage. Seit 1897 als Museum genutzt, diente sie dem Königreich Sachsen, der Weimarer Republik, den Nationalsozialisten und den Kommunisten zur Darstellung der jeweiligen Sicht auf die deutsche Militärgeschichte. Das Bundesverteidigungsministerium übernahm 1990 Gebäude und Sammlung von der Nationalen Volksarmee. Vier Jahre später fiel der Entschluß, das Haus zum Leitmuseum der Bundeswehr (Heer, Luftwaffe und Marine) auszubauen. Dieses soll auf 19.000 Quadratmetern Fläche das „komplizierte Verhältnis von Militär und Staat, von Krieg und Gewalt und anderen Phänomenen in diesem Zusammenhang darstellen“, formulierte Oberst Hans Ehlert, Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) in Potsdam, den Anspruch. Der Mensch soll dabei im Mittelpunkt stehen. „Das Leitmotiv, das alle Ausstellungsbereiche und auch die bauliche Konzeption durchdringt, ist die Frage nach den Ursachen und dem Wesen von Gewalt“, heißt es auf der Internetseite des Museums.

Zur Zeit ist man dabei, die Ausstellungsvitrinen den spitzen Winkeln, bis zu 45 Grad geneigten Wänden und schiefen Durchgängen des Neubaus anzupassen. Beim Betonieren der für Libeskind typischen Bauelemente gibt es betontechnologische Probleme, heißt es von Experten. Schwierigkeiten machen sowohl die Schalung der teilweise schrägen und in verschiedenen Richtungen geneigten Sichtbetonwände als auch die Verdichtung sowie die spezielle Rezeptur des Sichtbetons. Die zuerst mit der Bauausführung beauftragte Firma scheiterte. Jetzt hat die Hentschke Bau GmbH übernommen. Die Bautzener haben bereits Erfahrung mit einem Libeskind-Objekt in der Schweiz. Vielleicht ist ja jetzt tatsächlich ein Ende der Bauarbeiten abtzusehen.

Foto: Montage der Keil-Konstruktion des Architekten Daniel Libeskind am Museum: Widerstand des Denkmalschutzes wurde weggewischt

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