Der eifrige EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn ist ein Finne. Sein Volk ist hingegen gespalten: Zwar stimmten 1994 bei einem Referendum 56,9 Prozent der Bürger Finnlands für den Beitritt zur Union, doch inzwischen sind die EU-Kritiker immer lauter geworden. Bei der Kommunalwahl im Herbst setzten die Wähler erstmals ein politisches Zeichen: Die rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ (Perussuomalaiset/PS) bekamen 5,4 Prozent der Stimmen. Vier Jahre zuvor erreichte die dezidiert EU-kritische Partei landesweit nicht mal ein Prozent. Der redegewandte PS-Chef Timo Soini war sogar der zweitpopulärste Einzelkandidat aller Parteien.
Der 46jährige frühere Generalsekretär der Bauernpartei (SMP) ist beliebt und verhaßt, denn er provoziert: Er ist beispielsweise gegen die Homoehe, Abtreibung oder Einwanderung. In der Öffentlichkeit wird der Akademiker, der seine Magisterarbeit über Populismus schrieb, als ein wenig beschränkt abgestempelt – auch weil er gegen die EU und die Nato ist. Seit Februar ist der konvertierte Katholik zudem zusätzlich Mitglied der EU-kritischen Partei Libertas, die zur Europawahl im Juni antreten will (JF 8/09).
Soini gibt zu, erst skeptisch gegenüber Libertas gewesen zu sein: Schließlich gebe es genügend EU-kritische Parteien. Dennoch wurde er vom dänischen EU-Kritiker Jens Peter Bonde (JF 51/00), den er seit langem persönlich kennt, überzeugt. „An Libertas finde ich gut, daß sie an dem Gedanken einer Volksabstimmung immer noch festhält und dies beim EU-Reformvertrag kompromißlos fordert“, sagte Soini gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Daß die Iren nun zum zweiten Mal über den identischen Vertrag abstimmen müssen, ist absurd. Keiner, der nur das geringste von Demokratie versteht, kann das gutheißen.“ Seiner Ansicht nach sei die EU aber auch nicht wirklich demokratisch: „Sie ist wie eine Sowjetunion für Reiche“, ist Soini überzeugt. „Die EU hat ein ähnlich einbetoniertes Machtgeflecht. Schließlich wird ja nicht mal die Kommission demokratisch gewählt.“ Mit diesem Vergleich ist er auf einer Linie mit dem rechtsliberalen EU-Kritiker und tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus, der die EU mit einem kommunistischen Staat verglichen hat (JF 10/09).
An der Seriosität von Libertas zweifelt Soini nicht: „Eine solche Organisation zieht man nicht einfach aus dem Hut. Außerdem muß sie etwas richtig machen, denn sie und ihr Gründer, der irische Unternehmer Declan Ganley, irritieren die EU offenbar sehr. Sie haben also einen Nerv getroffen.“ Soini betont, daß er bei Libertas als einzelner Politiker und nicht als Vertreter seiner Partei sei. Diese Trennung ist ihm wichtig. Denn obwohl eine Doppelkandidatur in Finnland gesetzlich möglich ist, sei sie moralisch nicht vertretbar. Streng genommen macht Soini bei den kommenden EU-Wahlen dadurch aber seiner eigenen Partei Konkurrenz, denn auch die Wahren Finnen treten an. Doch angesichts seiner enormen Popularität bei den vergangenen Kommunalwahlen wird der Alleingang Soini kaum schaden.
Aber für seine Partei, die mit fünf Abgeordneten im finnischen Parlament sitzt, könnte es knapp werden. Denn der steile PS-Aufstieg seit ihrer Gründung 1995 ist vor allem ihrem Vorsitzenden zu verdanken. Um ihre Chancen bei den EU-Wahlen zu verbessern, wollen die Wahren Finnen deshalb ein „technisches“ Wahlbündnis mit den Christdemokraten (KD) eingehen. Die kamen bei den Kommunalwahlen im Herbst nur auf etwa vier Prozent der Stimmen. Über die Taktik läßt sich spekulieren. Doch die Chancen stehen nicht schlecht, daß sowohl Soini (als Libertas-Vertreter) als auch mindestens ein PS-Kandidat ins EU-Parlament gewählt werden.
Welcher Fraktion sich die Wahren Finnen nach einer erfolgreichen Wahl in Brüssel dann anschließen würden, will Soini noch nicht preisgeben: „Erst müssen wir überhaupt reinkommen.“ Ob Soini als finnischer Libertas-Vertreter im EU-Parlament auf deutsche Partner hoffen kann, ist darüber hinaus genauso ungewiß. Immerhin gibt es seit vergangener Woche auch hierzulande einen Ableger der EU-Kritiker.