Fußtritte, Flaschenwürfe, Beleidigungen: Polizisten sehen sich immer aggressiveren Angriffen ausgesetzt. Jetzt machte ein Dienstgruppenleiter der Düsseldorfer Altstadtwache seinem Ärger in einem Brief an die Vorgesetzten Luft. Das Schreiben, welches der Presse zugespielt wurde, enthält neben den Schilderungen von Einsätzen, bei denen die Beamten aufgrund der eskalierenden Situation „nur noch zur Gefahrenabwehr tätig werden“ und nicht mehr jede festgestellte Straftat verfolgen konnten, auch eine beunruhigende Forderung: Selbst „normale“ Wochenenden müßten zukünftig wie sogenannte „Großlagen“ eingestuft werden, um etwa wie bei Demonstrationen Beweissicherungstrupps der Bereitschaftspolizei losschicken zu können. Andernfalls, so zitiert die Rheinische Post das Resümee des Absenders, sei „nicht mehr auszuschließen, daß wir an einem der nächsten Wochenenden einen Einsatz aus der Hand geben werden und die Chaoten glauben, die Altstadt übernommen zu haben“. Interessant ist, wer im Schreiben des Polizisten als Haupttätergruppe genannt wird: „Überwiegend jugendliche und heranwachsende Migranten aus Nordafrika und Osteuropa“ täten sich dabei hervor, die Polizei „aufzumischen“. In bis zu hundert Mann umfassenden Tätergruppen gingen sie in der Innenstadt vor, provozierten Einsätze der Ordnungshüter und nähmen derartige „Wettbewerbe“ dann mit den Kameras ihrer Mobiltelefone auf. Über die jüngsten Vorfälle heißt es im Schreiben des Düsseldorfer Beamten: „Jeder Einsatz war geprägt von höchster Aggression und Gewaltbereitschaft. (…) Beteiligte und Unbeteiligte attackierten die Beamten verbal und durch Angriffe, Einmischen, Beleidigen (Rassist und Nazi waren die Renner der Nacht).“ Als Folge dieser Zustände könne nicht nur wachsende Frustration bei den Beamten festgestellt werden, sondern auch, daß „unser Ansehen in der Öffentlichkeit zusehends sinkt“. Aus dem Düsseldorfer Polizeipräsidium heißt es, man nehme das Schreiben „sehr ernst“. Offensichtlich sind die aus der rheinischen Metropole berichteten Zustände kein Einzelfall, sondern zunehmend die Regel in deutschen Großstädten. Besonders die Berliner Ordnungshüter sehen sich mit eskalierender Gewalt durch Ausländer und Täter mit „Migrationshintergrund“ konfrontiert, selbst wenn sie nur zu harmlosen Einsätzen wie etwa kleineren Verkehrsunfällen oder Diebstählen gerufen werden. Immer häufiger werden nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Polizeibeamte, die einen mutmaßlichen Straftäter mit Migrationshintergrund festnehmen wollen, von dessen Verwandten oder Landsleuten attackiert. In einem Polizeibericht aus dem vergangenen Jahr heißt es: „Im Zuge der Bearbeitung dieser Einsätze bildeten sich jeweils größere Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund. Bei beiden Einsätzen wurde durch einzelne Schaulustige versucht, die jeweiligen Tatverdächtigen zu befreien.“ Doch die politischen Verantwortlichen verweisen auf die Kriminalstatistik, wonach in den vergangenen Jahren kein Anstieg beim Delikt „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ festgestellt werden konnte. In den vergangenen zehn Jahren hätten sich demzufolge in der deutschen Hauptstadt jährlich etwas über dreitausend derartiger Fälle ereignet, gaben Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und sein Polizeipräsident Dieter Glietsch bekannt. Der Berliner Landesverband des Bundes deutscher Kriminalbeamter bezweifelt jedoch die Aussagekraft der „nackten Zahlen“ und spricht von einer neuen „Qualität der Gewaltvorfälle“ . Rückendeckung bekommt der Berufsverband aus Süddeutschland. In einer Stellungnahme des baden-württembergischen Innenministeriums zu einem Antrag der SPD-Fraktion über „Straftaten gegen Polizeibeamte“ heißt es im Zusammenhang mit dem „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“: Die Aussagekraft der Kriminalstatistik zu diesem Delikt werde „weiter dadurch eingeschränkt, daß jede Tat nur mit dem schwersten Straftatbestand erfaßt wird“, so daß etwa „ein Widerstand, der mit einer gefährlichen Körperverletzung verbunden ist, nur als gefährliche Körperverletzung erfaßt wird“. Die Deutsche Polizeigewerkschaft gibt nach eigenen Recherchen an, daß täglich durchschnittlich neun Berliner Polizisten im Dienst angegriffen werden. Gleichlautend berichtet auch die GdP, daß sich Polizeibeamte während ihres Einsatzes immer öfter „feindlichen Übergriffen von sich zusammenrottenden Bevölkerungsteilen ausgesetzt sehen“. Ausländische Jugendliche — vor allem „Staatenlose aus dem Irak, den kurdischen Gebieten und dem Libanon“ — verlören zunehmend den Respekt vor der Staatsgewalt, heißt es in einer Mitteilung der GdP. Neu ist allenfalls die Aufmerksamkeit, die solche Fälle wie jüngst in Düsseldorf hervorrufen, nicht aber das Phänomen an sich. Bereits vor zwölf Jahren hatte die Polizeiführungsakademie in Münster eine Untersuchung zum Thema „Polizei und Fremde“ in Auftrag gegeben, in welcher dem Vorwurf einer angeblich verbreiteten fremdenfeindlichen Einstellung unter Polizisten nachgegangen wurde. Tatsächlich seien jedoch in der Praxis weniger vermeintliche Vorurteile oder Aversionen seitens der Exekutive, sondern eher die Verhaltensweisen des sogenannten „polizeilichen Gegenübers“ für eskalierende Situationen verantwortlich gewesen: „Ausländische Tatverdächtige treten der Polizei oft mit Gewalt, mit Beleidigungen und anderen Provokationen entgegen“, so das Ergebnis dieser Studie. Vielleicht sind es solche Erfahrungen, die den niedersächsischen Polizeipräsidenten Andreas Bruns zu der Aussage verleiteten, „die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen umzugehen“, werde immer mehr „zu einer Schlüsselkompetenz für die Polizei“. Niedersachsen will daher die Quote von Polizisten „mit Migrationshintergrund“ von derzeit 1,3 auf bis zu zehn Prozent aufzustocken. Einziger Haken an der Sache: „Nur wenige bestehen die hohen Anforderungen des Einstellungstests für die Polizeiakademie“, bedauert Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Foto: Jugendliche Gewalttäter in Berlin: „Rassist“ und „Nazi“ waren die „Renner“ der Nacht