Der Bundestagswahlkreis Hamburg-Eimsbüttel war für Sozialdemokraten über Jahrzehnte eine sichere Bank. Wer von der SPD aufgestellt wurde, konnte sich seiner Diäten sicher sein und in Ruhe an seiner Karriere basteln. So hatte sich das auch Niels Annen gedacht. Annen, der nach 28 Semestern sein Studium abbrach und nie etwas anderes als Parteiarbeit kennengelernt hat, vertritt Hamburg-Eimsbüttel im Deutschen Bundestag. Dort strebt er zum einen den Ruf eines Außenpolitikers an, zum anderen ist der ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten einer der Anführer des linken SPD-Flügels und als solcher ein besonders profilierter „Kämpfer gegen Rechts“. Er war auf dem besten Weg, sich für seinen Arbeitgeber — die SPD — unentbehrlich zu machen. Doch nun ist es wohl erst einmal vorbei mit Diäten, Einfluß und Außenpolitik. Dafür hat ausgerechnet der Hamburger Juso-Vorsitzende Danial Ilkhanipour gesorgt. In einer Kampfabstimmung konnte sich dieser mit einer Stimme Mehrheit die Aufstellung zum Wahlkreiskandidaten gegen Annen sichern (JF 48/08). Seitdem steht die Partei in der Hansestadt kopf. Annen und seine linken Unterstützer — zunächst völlig konsterniert von dem überraschenden Ergebnis — begannen mit einer massiven Kampagne gegen ihren persischstämmigen „Parteifreund“. Dieser hätte sich zunächst verdeckt um eine Mehrheit unter den Delegierten gekümmert und erst dann seine Kandidatur offiziell bekanntgegeben. Außerdem seien einige der Delegierte angeblich nicht wahlberechtigt gewesen. Amateurhafte Rechtsgutachten kamen in Umlauf. Ganze Ortsvereine kündigten an, nicht für Ilkhanipour Wahlkampf machen zu wollen, und viele Mitglieder gaben ihr Parteibuch gleich ganz ab. Prominente Sozialdemokraten setzten sich öffentlich für Annen und gegen Ilkhanipour ein. Doch die ganze, von der linken Hamburger Morgenpost flankierte Kampagne nützte nichts, denn die Wahl Ilkhanipours verlief rechtlich einwandfrei. Die letzte Hoffnung für den nun bald arbeitslosen Annen soll eine Mitgliederbefragung sein. Ziel der ganzen Aktion: mit Hilfe der linken Basis das Wahlergebnis der Kandidatenaufstellung zu desavouieren und eine Neuwahl, respektive den Sieg Annens durch die Hintertür doch noch zu erreichen. Ilkhanipour will jedoch unter Verweis auf die bereits erfolgte Wahl für eine solche Mitgliederbefragung nicht zur Verfügung stehen. Schließlich könne man nicht so lange wählen, bis einem — besser gesagt: Annen — das Ergebnis passe, und vor allem: Welchen Wert haben Wahlen, wenn die unterlegende Seite dann eine erneute Abstimmung darüber will? Ohnehin haben Hamburgs Sozialdemokraten mit Mitgliederbefragungen schlechte Erfahrungen gemacht. Im parteiinternen Streit über den Bürgermeisterkandidaten 2008 waren 1.000 Stimmen aus den Wahlurnen gestohlen worden. Der Straftäter aus den Reihen der SPD ist bis heute nicht ermittelt worden. Für Annen — der seine Niederlage bis heute noch nicht eingestanden hat — geht es nicht nur ums politische, sondern auch existentielle Überleben. Als Berufspolitiker ohne weitere Ausbildung ist er auf den guten Willen seiner Partei angewiesen. Erste Überlegungen, ihn über die Landesliste abzusichern, scheiterten, da er dort Arbeitsminister Olaf Scholz hätte verdrängen müssen. Auch die Europaliste ist bereits gewählt. Also streckte Annen seine Fühler in andere Landesverbände aus. Doch die Hoffnung, dort ein Mandat zu ergattern, blieb bisher unerfüllt. Ob in Bayern und Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Sachsen, keiner wollte ihn haben. Verständlich, denn nach heutigem Ermessen werden sozialdemokratische Wahlkreisgewinner bei den Bundestagswahlen 2009 eher dünn gesät sein, da gibt es nichts zu verschenken. Die Internetseite election.de prognostiziert gerade einmal 61 von 299 Wahlkreisen für die SPD. Der Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel ist nicht mehr darunter — getreu dem Motto „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ könnte er erstmals von der CDU gewonnen werden.