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Marc Jongen, ESN Fraktion

Bündnis Zukunft ungewiß

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Er sei „tief betroffen“ gewesen, erklärte Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) angesichts des Todes von Jörg Haider. Er sei ein „Politiker mit großen Begabungen“ gewesen, der die Fähigkeit gehabt habe, auf die Menschen zuzugehen und zu begeistern. Der BZÖ-Chef hätte jede Möglichkeit gehabt, im kommenden Jahr in Kärnten wieder eindrucksvoll zum Landeshauptmann gewählt zu werden. Und nachdem auch all die anderen, die Haider zu Lebzeiten als ewiggestrigen potentiellen Despoten gebrandmarkt hatten, ihm posthum pflichtschuldigst ein Vorzugszeugnis ausgestellt haben, beginnt sich nunmehr die innenpolitische Landschaft neu zu ordnen. Das Spektrum herbstlicher Farbkombinationen mit regierungsfähiger Mehrheit in der Nach-Haider-Ära wird durch das tragische Ereignis vom 11. Oktober allerdings merklich eingeschränkt. So äußerte der geschäftsführende Vorsitzende der ÖVP, Josef Pröll, der seiner Partei zunächst eine dreimonatige Nachdenkphase verordnen wollte, bereits seine Bereitschaft in Regierungsverhandlungen mit der SPÖ zu treten. Diese Ankündigung, einen Tag vor dem ersten „Österreich-Gespräch“ aller Fraktionen, ist ein deutliches Signal für die Weiterführung der kleingeschrumpften großen Koalition (JF 42/08). Die angedachten Dreiervarianten, ÖVP/BZÖ mit FPÖ oder wahlweise den Grünen, dürften ohne Jörg Haider an Fürsprechern in der Volkspartei verloren haben. Im BZÖ umgekehrt will man Haiders Vermächtnis fortführen, was primär bedeutet, eine Neuauflage von Rot-Schwarz um jeden Preis zu verhindern. So jedenfalls die ersten Bekundungen des designierten BZÖ-Vorsitzenden Stefan Petzner. Getrennt können FPÖ und BZÖ mehr Wähler erreichen Mutmaßlich dienen solche Beteuerungen des als politisch unerfahren geltenden 27jährigen, der unter Haider eine rasante Polit-Karriere hinlegte und zuletzt als sein Stellvertreter fungierte, der Beruhigung der eigenen Basis. Die FPÖ zeigt weiter wenig Interesse an der Rolle des „ÖVP-Steigbügelhalters“, und die von deutlichen Stimmenverlusten gebeutelten Grünen könnten den eigenen Kernwählern eine Koalition mit dem BZÖ schwerlich zumuten. Da auch SPÖ-Chef Werner Faymann eine gemeinsame Regierung mit FPÖ oder BZÖ ausgeschlossen hat, scheinen die Weichen für die Weiterführung der bisherigen SPÖ/ÖVP-Regierung mit anderen Köpfen gestellt. Ein Szenario, das, entgegen seinen Verhinderungsbeschwörungen, ganz im Sinne Jörg Haiders sein müßte. Begründete der gewiefte Taktiker doch seinen Wunsch nach Aufrechterhaltung der Trennung des Dritten Lagers in FPÖ und BZÖ doch erst kürzlich mit der Anmerkung, auf diese Weise sei ein weitaus größeres Wählerspektrum zu erreichen. Eine Einschätzung, die der Haider-Intimus und vormalige Justizminister Dieter Böhmdorfer teilt. Wählerstrom­analysen zeigen zudem sehr deutlich, daß das BZÖ vor allem ÖVP-Sympathisanten anspricht, wogegen die FPÖ vor allem dank früherer SPÖ-Stimmen zulegen konnte. Ein pragmatischer Grund für die neue BZÖ-Spitze, den unermüdlichen Wiedervereinigungsgerüchten eine Absage zu erteilen, liegt darin, solcherart über eine eigene Partei- und Fraktionsförderung zu verfügen. Die FPÖ ihrerseits bleibt bei ihrem klaren „Nein“ zur Reunion. Zwar äußerte der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer medienöffentlich seine Ansicht, es solle nach Haiders Tod zu einer Annäherung bis hin zur möglichen Verschmelzung kommen — die Parteiführung aber dementierte hieraus resultierende Spekulationen umgehend. Parteichef Heinz-Christian Strache — mit erst 39 Jahren mittlerweile längst dienender Obmann der fünf Parlamentsparteien — machte statt dessen den „freiheitlich denkenden“ Funktionären des BZÖ das Angebot, sich künftig in der FPÖ einzubringen. Ein Angebot, dem wahrscheinlich vielfach Folge geleistet werden wird. Zwei Drittel der BZÖ-Wähler begründeten ihr Votum mit der Person Jörg Haiders. Die eindrucksvolle Anteilnahme der Kärntner Bevölkerung an seinem plötzlichen Ableben bestätigt seine Ausnahmestellung. Seine Schöpfung, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), wird ohne den Kärntner Landeshauptmann nicht sein können, was sie mit ihm als Leitstern war. Sein instinktsicheres Abwägen von Stärken und Schwächen der politischen Gegner, von Bedürfnissen und Erwartungen der Bevölkerung, sein strategisches Geschick und sein offenes Ohr für den „kleinen Mann“ suchen ihresgleichen. Eine CDU/CSU-Lösung lehnt die FPÖ ab Stefan Petzner, der zuversichtlich meinte, in den großen Schuhen gehen zu können ohne umzufallen, und der für die Landeshauptmann-Nachfolge nominierte Vize Gerhard Dörfler mögen sich noch so sehr nach der Decke strecken, sie steuern auf unruhige Gewässer zu. In acht von neun Bundesländern fehlen nach wie vor jegliche BZÖ-Parteistrukturen. Eine CDU/CSU-Lösung mit der FPÖ wird von dieser abgelehnt. Und zahlreiche Protagonisten des künftigen BZÖ-Parlamentsklubs wie der ehemalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner, der vormalige BZÖ-Obmann Peter Westenthaler oder der aus der FPÖ ausgeschlossene frühere Volksanwalt Ewald Stadler sind einander spinnefeind. Sie alle ohne Jörg Haider auf „Haider-Linie“ zu bringen und zu halten, wird die Quadratur des Kreises erfordern. Das BZÖ, so scheint es, wird kurz nach seiner Mandatsverdreifachung wieder zur fallenden Aktie. Das heißt aber nicht, Jörg Haiders politisches Wirken verpuffte mit seinem Tod zur Unerheblichkeit. Im Gegenteil. Wenn SPÖ und ÖVP heute über eine Gerade-noch-Mehrheit verfügen und das Dritte Lager 28 Prozent der Wähler hinter sich vereint, ist das maßgeblich auch Jörg Haiders Verdienst. Österreichs Politiklandschaft ist im Umbruch. Die Trauerfeierlichkeiten für Jörg Haider finden am 18. Oktober in Klagenfurt statt. Der Trauerzug beginnt um 11 Uhr im Landhaushof und führt zum Neuen Platz, wo die feierliche Verabschiedung stattfinden wird. Mehr im Internet unter: www.ktn.gv.at Fotos: Jörg Haider und Heinz-Christian Strache am Wahlabend: FPÖ/BZÖ-Wiedervereinigungsgerüchte, FPÖ-Wahlplakat: Überschneidungen mit Wählerpotential der SPÖ, BZÖ-Wahlplakat: Viele Stimmen aus dem ÖVP-Wählerspektrum

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