Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld sieht im derzeitigen Ausbau der staatlichen Kontroll- und Sicherheitssysteme eine ernsthafte Bedrohung für die Freiheitsrechte der Bürger. Statt mehr Sicherheit bedürfe es mehr Verantwortung, forderte Lengsfeld in der vergangenen Woche auf einer Vortragsveranstaltung in Berlin. Lengsfeld erinnerte daran, daß das Verlangen nach Freiheit und Selbstbestimmung ein zentrales Motiv für die Bürgerproteste von 1989 darstellte. Die Demonstranten in Leipzig, Dresden und anderen mitteldeutschen Städten forderten das Ende des Kontroll- und Überwachungsstaates und der ideologischen Gängelung durch die Staatspartei. Nun sei jedoch im wiedervereinigten Deutschland bereits seit mehr als zehn Jahren ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus wurden von der Politik die Kontrollen verschärft. Die Überwachung von öffentlichen und privaten Einrichtungen mit Hilfe von Kameras sei zum Standard geworden, sagte Lengsfeld. Bereits bei einem Anfangsverdacht dürfen Computer ausgespäht werden, die neuen Pässe mit biometrischen Daten ebneten den Weg zum gläsernen Staatsbürger. Um gegenüber den Bürgern die immer stärkeren Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit zu rechtfertigen, werde bewußt mit Ängsten gearbeitet. Oft würden die realen Gefahren dabei bewußt überzeichnet. Enttäuscht zeigte sich Lengsfeld, die wieder für den Bundestag kandidiert (JF 50/08), von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Merkel habe als Frau aus dem Osten, die das SED-Regime und das Freiheitsverlangen der Bürger selbst aus unmittelbarer Nähe erlebt habe, einen großen Bonus besessen. Mit ihrer Amtsübernahme von Gerhard Schröder seien damit auch große Hoffnungen auf ein Ende des Reformstaus verbunden gewesen. Mutige Schritte und kein übertriebenes Sicherheitsdenken habe sie damals von Merkel erwartet, sagte Lengsfeld. Tatsächlich wurden diese Erwartungen aber bereits nach kurzer Zeit enttäuscht. Wie Schröder habe sich Merkel auf die Außenpolitik konzentriert und hierfür Lob gesucht und auch erhalten. Innenpolitisch sei unter ihrer Kanzlerschaft dagegen weitgehend alles beim alten geblieben, wichtige Reformen fanden nicht statt. Es sei widersprüchlich, wenn heute einerseits von den westlichen Demokratien begrüßt werde, daß sich auch immer größere Teile der Bevölkerung in Diktaturen über das Internet den Zugang zu freien Informationen verschaffen würden und eine Abschottung immer schwerer werde. Gleichzeitig trachte der Westen aber danach, die Nutzer dieses Mediums im eigenen Raum immer stärker zu überwachen, ihre E-Mails zu kontrollieren und genaue Aufschlüsse auf ihr Surf-Verhalten zu erhalten.
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