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Die konservative Stimme darf nicht fehlen

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Die konservative Stimme darf nicht fehlen

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Das Parteiensystem in der Bundesrepublik zeigt bemerkenswerte Entwicklungslinien auf: Im linken Spektrum kommt es neben der SPD zur Herausbildung einer Linkspartei, die hemmungslos mit populistischen Versprechungen auf Wählerfang geht und den Sozialdemokraten Wähleranteile wegnehmen will. In der politischen Mitte herrscht dichtes Gedränge. Die Grünen wollen sich dort ansiedeln, mit einem gewissen Erfolg. In der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik stehen sie für Positionen ein, die der FDP deutliche Expansionsgrenzen vorgeben. Die SPD drängt zur Mitte und will das mit verbalradikalem Nebel verschleiern. Frau Merkel will die politische Mitte besetzen. Die CDU, nicht die CSU, ist eine liberale Partei mit einer „christlichen Badehose“. Ihr konservativer Flügel spielt nur noch eine bescheidene Rolle. Das konservative Spektrum ist in der aktuellen Politik unseres Landes kaum vertreten. Rechtsaußen tummeln sich zwar Parteien wie die NPD und eine Reihe obskurer Organisationen. Doch politisch konservativ sind sie nicht. Wenn sie nicht den Populisten auf der Linken mit einschlägigen „nationalen Parolen“ – wie: „Arbeit für Deutsche, Ausländer raus!“ – Konkurrenz machen, verherrlichen sie die Nazis und ihre Untaten. Sie sind zu dumm, um zu erkennen, was die Nazis unserem Land, seinen Werten, seiner Rolle in der Welt angetan haben. Die Nazis haben die konservativen Grundwerte Deutschlands verbrannt. Die Neonazis und ihre Mitläufer machen es immer noch möglich, ehrbare konservative Positionen und ihre Vertreter in verlogenes politisches Dauerfeuer zu nehmen. Ein deutscher Konservativer, der sich nicht eindeutig als Gegner neofaschistischer Positionen festmacht, ist entweder dumm oder eben doch nur ein geistiger Parteigänger der Neonazis. Eine Auschwitzlüge gibt es nicht. Die Shoa ist kein Greuelmärchen. Wir haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und unsägliche Kriegsverbrechen begangen. Die anderen, unsere Kriegsgegner, haben ebenfalls Kriegsverbrechen, vor allem durch die Vertreibung von Millionen Deutschen auf sich geladen. Doch eine Art Saldierung von Schuld gibt es nicht. Danken wir Gott, daß er es mit uns so gut gemeint und uns die Wiedervereinigung geschenkt hat. Die Konservativen können stolz sein auf ihren Widerspruch gegen Hitler, auch wenn ihm der Erfolg versagt blieb. Hier im Widerstand erwachsen konservative Grundwerte menschlichen Zusammenlebens, das auch soziale Elemente mit trägt. Ein deutscher Konservativer hat wie jedermann das Recht, stolz auf sein Land zu sein, wenn er keinen Zweifel daran läßt, daß die Nazis und ihre Helfershelfer unendliche Schande über unser Land gebracht haben. Diese Vergangenheit vergeht nicht. Sie eignet sich allerdings nicht mehr als Schlagstock in der aktuellen Politik. Uns fehlen Politiker, die zu ihrer Verantwortung stehen. Helmut Schmidt hatte am Ende seiner Kanzlerschaft 1982 auf die Frage, warum er das alles noch ertrage – die miesen Attacken aus der SPD, die beginnende Untreue der FDP – gesagt, ihn bestimme Pflichtgefühl, Standhaftigkeit und Berechenbarkeit in seinem Festhalten am Amt. Für Lafontaine sind das damals Sekundärtugenden gewesen, mit denen man auch ein KZ betreiben könne. Daß dieser Mann Jahre später Vorsitzender der SPD wurde und heute der Linkspartei vorsteht, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Qualität und Moral der bundesdeutschen Politikszene. Ohne Pflichtgefühl und Standhaftigkeit, ohne Moral und die persönliche Bereitschaft zum Vorbild kann es keine Politik geben, die in der parlamentarischen Demokratie die Herzen und den Verstand der Bürger erreicht. Wenn diese Tugenden nicht mehr sichtbar werden, bleiben die Wähler an Wahltagen zu Hause. Diese Tugenden haben auch konservative Quellen. An ihnen muß konservative Politik heute anknüpfen. Vor allem aber deutlich machen, daß es ihr um wertkonservative Politik geht, die die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens bewahren will, ohne eine vorsichtige Reformpolitik mit Augenmaß abzulehnen. Denn ohne zunehmende soziale Gerechtigkeit kann kein Gemeinwesen auf Dauer bestehen. Die Herausforderungen für eine konservative Politik in unserer Zeit sind unübersehbar. Auf dem EU-Gipfel ist mehr als deutlich geworden, daß ein Europa der 27 Staaten nicht durch die dort erreichten Kompromisse wirklich handlungsfähig wird. Konservative Politik muß Europa wollen, aber gleichzeitig deutlich machen, daß es um das Europa der Vaterländer geht, in dem Deutschland natürlich seine spezifische Rolle zu spielen hat und spielen will. Konservative Politik muß die Unternehmensleitungen an ihre Pflichten erinnern. Sie müssen ihre Firmen natürlich wettbewerbsfähig halten im nationalen und internationalen Wettbewerb. Sie stehen aber auch in der Verantwortung für ihre Belegschaft und für die Sicherung der Zukunft unserer Gesellschaft. Solidarität oder christliche Nächstenliebe sind wertkonservative Werte, ohne die keine Gesellschaft, auch Deutschland nicht, eine gute Zukunft hat. Ohne gemeinsame Werte implodiert jede Gesellschaft. Wenn sie fehlen, stellen sich viele die Frage: Warum soll ich nicht fremdgehen, betrügen, wenn das risikolos ist? Denn die Gesetze hinken stets hinterher. Ohne gemeinsame Werte entwickelt sich zwangsläufig eine Banditen- und Ganovengesellschaft. Dann wächst der Ruf nach einem starken Staat, der dann nicht nur schrittweise die Demokratie abschafft, sondern Korruption und Vetternwirtschaft der neuen Klasse unter dem Deckmantel einer gefügigen Presse zu ihrer Sache macht. Auch die Konservativen müssen sich dieser Entwicklung entgegenstellen. Deshalb müssen sie für ihre Werte in unserer Gesellschaft eintreten. In einer pluralistischen Gesellschaft werden die gemeinsamen Grundwerte stets ein Kompromiß konkurrierender Werte sein. Doch die konservative Stimme darf dabei nicht fehlen. Wo sind die Konservativen in unserem Lande? Sie sind in der CDU. Deshalb wird diese Partei trotz ihrer aktuellen Querelen bei den nächsten Landtagswahlen ein gutes Ergebnis einfahren. Angela Merkel hat den Konservativen in der CDU die Flügel gestutzt. Das war und ist ein schwerer Fehler. Wer und was das so geschaffene politische Vakuum füllen wird oder ob es zur Wahlenthaltung kommt, ist offen. In jedem Falle wäre es gut für Deutschland, wenn es zu einer konservativen Kraft käme, die diesen Namen zu Recht trägt und den langen Atem hat, den politischer Erfolg verlangt. Prof. Dr. Hans Apel war von 1974 bis 1978 Bundesfinanzminister und von 1978 bis 1982 Verteidigungsminister.

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