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Reise ins Ungewisse

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Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das jeder schnell erfährt, der in den Kongo kommt: Die Europäer haben die Uhr erfunden und die Afrikaner die Zeit. In einem Land, das so groß ist wie Westeuropa, aber über keinerlei staatliche Strukturen und nur 500 Kilometer befestigte Straßen verfügt, sind Zeitpläne Makulatur. Das gilt auch für den Zeitplan der ersten Wahlen seit der Unabhängigkeit von Belgien im Jahr 1960. Der politische Direktor der UN-Mission Monuc, Albrecht Conze, sagt: „Es gibt eine gewisse Hoffnung, daß Regierung und Parlament bis zum 1. Dezember stehen – also dann, wenn die Europäer abziehen wollen.“ Aber einfach werde das nicht. Man habe immer wieder gesehen, daß im Kongo Zeitpläne nicht eingehalten werden würden. Und nicht nur das. Je näher der Wahltermin am 30. Juli rückt, desto größer werden die Fragezeichen, ob der Urnengang auch nur annähernd nach demokratischen Spielregeln verläuft. Es wurde bekannt, daß Wählerlisten aus den Computern der zentralen Wahlkommission gelöscht wurden. Die Sachbearbeiter hatten ihre Löhne nicht rechtzeitig bekommen und mit den Löschaktionen Rache an ihrem Arbeitgeber nehmen wollen. Außerdem werden für jedes Wahllokal erheblich mehr Stimmzettel ausgeliefert als Wähler registriert sind – oder geschätzt werden. Daß mit diesen Stimmzetteln Mißbrauch getrieben wird in einem Land, von dem keiner weiß, wie viele Wahlberechtigte es hat, liegt auf der Hand. Die 2.000 europäischen Soldaten, von denen die Hälfte nicht einmal im Kongo, sondern in Gabun stationiert ist, werden den demokratischen Ablauf nicht überwachen können. Dafür ist ihre Zahl viel zu gering. Auch gegen Massenproteste oder Aufstände sind sie aus diesem Grunde machtlos. Wenn die Lage in Kinshasa eskaliert, dann bleibt ihnen die Flucht über den Kongo-Fluß ins benachbarte Brazzaville. Nur Politiker werden nicht müde, das Engagement auch der Bundeswehr zu preisen: So bezeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan die Mission als „ein neues Kapitel des deutschen Engagements in der Welt auf dem Gebiet von Frieden und Sicherheit“. Diplomatisch, wie er einmal ist, ließ Annan durchblicken, daß es mit dem auf vier Monate angelegten Einsatz nicht getan ist. Die internationalen Partner des Kongo müßten eine Strategie für die Zeit nach den Wahlen entwickeln. Ohne Waffen in Kinshasa Denn abgesehen von den generellen Zweifeln am Zeitplan bleibt ein weiteres Problem: Die europäischen Truppen sollen Ende November wieder abgezogen werden, wenn der zweite Wahlgang abgeschlossen ist und die Phase der Regierungsbildung beginnt. Sollte es zu Verzögerungen um mehrere Wochen kommen, müßten die Truppen mitten während der Wahl abgezogen werden. Doch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat sich festgelegt. Weihnachten seien die Bundeswehrsoldaten wieder zu Hause. Es wäre nicht das erste Mal, daß Jung sich korrigieren müßte: Zuerst wollte er keine Kampftruppen nach Afrika schicken und auch nicht die Führung des Einsatzes übernehmen. Inzwischen sind deutsche Fallschirmjäger in Afrika, und die gesamte Mission wird vom Einsatzführungskommando in Potsdam geführt. Der Ruf der europäischen Truppen in Kinshasa ist nicht besonders gut. In den Gerüchten, die in der Millionenstadt kursieren, heißt es, die Soldaten würden den amtierenden Präsidenten Kabila unterstützen. Dies dürfte auf den französischen Teil des Eufor-Kontingents auch zutreffen. Die Franzosen machen gute Geschäfte im Kongo, gerade mit Kabila und seinem Clan. Sie dürften kein Interesse daran haben, daß plötzlich ein anderer Politiker in das Präsidenten-Palais einzieht. Dagegen betont Jung immer wieder die Neutralität der Truppen. Ob der Minister und seine Informationseinheiten die Stimmung in Kinshasa drehen können, indem sie Einfluß auf die örtlichen Radiosender nehmen, ist zweifelhaft. In der Öffentlichkeit wird der Einsatz nach wie vor allenfalls unter Randaspekten diskutiert. Die Sinnfrage, was deutsche Soldaten in Zentralafrika sollen, wird ausgeklammert. So erheitert man sich über eine falsche Lieferung von Schlafsäcken, die eher für das Nordkap als für die Tropen geeignet waren. Nur fachlich Interessierte nahmen wahr, daß die deutschen Soldaten des Vorauskommandos ohne Waffen nach Kinshasa geschickt wurden und damit nicht einmal in der Lage sind, sich selbst zu schützen. Wenn der eigentliche Einsatz am 30. Juli beginnt, soll das anders werden. Auch die Argumente, man sei im Kongo militärisch engagiert, um für Demokratie und Stabilität zu sorgen, sind an den Haaren herbeigezogen. Wenigstens von der FDP-Opposition wird der Grund offen genannt: „Unsere Soldaten sind in Afrika, weil die Bundeskanzlerin es Frankreich mit dessen eigenen Interessen voreilig zugesagt hat“, sagte Parteichef Guido Westerwelle. In Berlin heißt es bereits, Angela Merkel habe Frankreich in Afrika noch viel mehr deutsches militärisches Engagement versprochen. Foto: Deutsche und niederländische Soldaten vergangenen Sonntag auf dem Weg in den Kongo: Französische Interessen

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