Schon der Wahlkampf war hart. Immer wieder wurden neue Affären publik und Korruptionsvorwürfe gegen Politiker erhoben. Ende April wurde beispielsweise der Vizechef der Kommunisten (KSČM), Jiří Dolej, mitten in Prag von drei unbekannten Männern verprügelt. Vor allem die oppositionelle rechtsliberal-konservative Bürgerpartei (ODS) von Mirek Topolánek und die Sozialdemokraten (ČSSD) von Premier Jiří Paroubek schenkten sich nichts. Das größte Aufsehen erregte die Ohrfeige, die der Ex-ODS-Vize Miroslav Macek dem sozialdemokratischen Gesundheitsminister David Rath auf einem Stomatologen-Kongreß in Prag verpaßte. David Rath hatte zuvor in einem Zeitungsinterview behauptet, Macek habe seine Ehefrau nur wegen des Geldes geheiratet. Die tschechischen Wähler schreckte all dies offensichtlich nicht, die Wahlbeteiligung stieg von 58 auf 64,5 Prozent. Die ODS wurde mit 35,38 Prozent (+10,91 Prozent) stärkste Kraft. Auch die ČSSD konnte zulegen und erzielte mit 32,32 Prozent (+2,12 Prozent) ihr bislang bestes Ergebnis. Erstmals konnte die KSČM keine Stimmenzuwächse verbuchen. Mit 12,81 Prozent (-5,34 Prozent) büßten die Kommunisten über ein Viertel ihrer Wähler ein, sie wurden aber erneut drittstärkste Kraft. Den bislang mitregierenden Christdemokraten (KDU-ČSL) erging es noch schlechter. Mit 7,22 Prozent (-6,75 Prozent) sind sie zwar weiter im Parlament vertreten, aber als sie 2002 gemeinsam mit der linksliberalen Freiheitsunion (US-DEU) in einer Wahlkoalition angetreten waren, hatten noch 14,27 Prozent für das Bündnis gestimmt. Die Regierungspartei US-DEU scheiterte diesmal mit 0,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Die von den Medien hofierten und in Umfragen bei fast zehn Prozent gehandelten tschechischen Grünen (SZ) des Ex-Liberalen Martin Bursík schafften mit 6,29 Prozent (+3,66 Prozent) erstmals den Einzug ins Parlament. Die in EU-Parlament und Senat vertretenen Europäischen Demokraten (SNK-ED) scheiterten mit 2,08 Prozent. Die Unabhängigen Demokraten (NEZ/DEM) des „TV Nova“-Gründers und EU-Abgeordneten Vladimír elezný erreichten nicht mal ein Prozent – ebenso wie achtzehn weitere Splitterparteien. Eigentlich hätten nach Prozentpunkten ODS, KDU und Grüne eine Mehrheit. Doch aufgrund des tschechischen Verhältniswahlrechts mit 14 regionalen Wahlkreisen ist es zu einer Pattsituation im Parlament gekommen – Bürgerliche wie Linke haben jeweils 100 Sitze. Die ODS hat 81 Mandate (+23 Mandate), die KDU 13 (-8) und die Grünen sechs. Die ČSSD erhält 74 Sitze (+4), KSČM 26 Sitze (-15). Die wahlentscheidende Mandatsschwäche der Grünen resultiert daraus, daß sie vor allem eine Prager „Wohlstandspartei“ sind. Hier erreichten sie 9,19 Prozent. In den meisten anderen Wahlregionen reichte es jedoch nicht für ein Mandat. Die jetzige Mandatsverteilung ähnelt der von 1998 – die beiden „Extreme“, Rechtsliberale und Kommunisten, haben zusammen eine faktische Sperrminorität von diesmal 107 Mandaten, ohne eine von beiden Parteien ist keine Regierungsmehrheit möglich. Damals entschloß sich die abgewählte ODS des inzwischen zum Staatspräsidenten aufgestiegenen Václav Klaus dazu, eine ČSSD-Minderheitsregierung zu tolerieren. So wurde Milo Zeman zum ersten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten der Tschechei gewählt. Am Montag hat Präsident Klaus ODS-Chef Topolánek mit der Regierungsbildung beauftragt – doch wie könnte die aussehen? Für eine Prager „Jamaika-Koalition“ reicht es nicht. Eine Große Koalition wird, nicht nur angesichts der persönlichen Animositäten zwischen ODS und ČSSD, bislang ausgeschlossen. Die Grünen sind wiederum nicht bereit, eine Linkskoalition mit der ČSSD unter KSČM-Tolerierung nach dem „Magdeburger Modell“ zu schließen. Der bisherige Premier Paroubek hat inzwischen eine Regierung von parteilosen Experten vorgeschlagen. Topolánek lehnt dies ab: „Erstens finde ich es nicht korrekt, daß die ČSSD noch vor ersten Gesprächen Bedingungen stellt, und zweitens weiß ich nicht, ob es parteilose Experten überhaupt gibt.“ Foto: Handschlag: Präsident Vaclav Klaus beauftragt Mirek Topolánek (ODS) mit der Regierungsbildung