Krasser konnten die Gegensätze kaum sein: Während die Bürger das blühende Wirtschaftswunder genießen, wird einigen Unteroffizieren die Wohnung gekündigt, weil sie die Miete nicht bezahlen können. Grund: Das Verteidigungsministerium ist unfähig, die Gehälter nach Andernach zu transportieren. Doch damit nicht genug: Die Ausrüstung ist miserabel. Weil bei einem Kälteeinbruch die Winterkleidung fehlt, gibt es an einem einzigen Tag 18 Erfrierungen. Das Mißtrauen gegen die Soldaten der jungen Bundeswehr und die Abwertung ihrer hoheitlichen Aufgabe ist allerorts zu spüren – selbst in der eigenen Verwaltung. Der Begriff „Zivilkontrolle“ wird völlig mißdeutet. Ursache: Es war versäumt worden, die gesetzlichen Regelungen auf den Gebieten der Laufbahn, der Versorgung, der Fürsorge und der Besoldung so frühzeitig in Kraft zu setzten, daß sie wirkungsvoll waren. Szenen aus dem Jahre 1956. Die Soldaten erlebten eine hausgemachte Mangelwirtschaft. Und sie zogen die Konsequenzen daraus: am 14. Juli 1956 gründeten in der Panzertruppenschule in Munsterlager 23 Offiziere, 25 Unteroffiziere und sieben Mannschaftsdienstgrade den Deutschen Bundeswehr-Verband (DBwV). Zum ersten Vorsitzenden wurde der Kommandeur des Panzerlehrbataillons, Oberstleutnant und Ritterkreuzträger Karl-Theodor Molinari, gewählt. Damit gab es erstmals in der deutschen Militärgeschichte eine Berufsorganisation für Soldaten. An diesem Freitag feiert die Ständeorganisation ihren 50. Geburtstag. Das Ziel des Vereins lautet: Vertretung der beruflichen und sozialen Anliegen der Soldaten gegenüber dem Parlament und den Verwaltungsbehörden. Der Verband verstand sich als Wächter der Interessen aller Soldaten. Ende des Jahres 1956 gehörten der neue Berufsorganisation schon 30.000 Soldaten an. Die Interessenvertretung stieß bei vielen, vor allem älteren Soldaten indes auf ein gespaltenes Echo. Einerseits lehnten sie die Bildung derartiger Gruppierungen ab, da sie sich ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zwischen den Soldaten und ihren militärischen Vorgesetzten sowie zu Regierung und Parlament ohne Einschaltung von Zwischeninstanzen wünschten. Andererseits wurden auch von diesem Personenkreis die vielen Unzulänglichkeiten klar gesehen, und sie wünschten ein rasches Abstellen der Mißstände. Zudem akzeptierten sie die neue Stellung des Soldaten als „Bürger in Uniform“ – und in diesem Leitbild wurde dem Soldaten ausdrücklich das Koalitionsrecht gewährt. Dennoch hatten viele militärische Führer die Sorge, daß von nun an auch andere Verbände um die Gunst der Soldaten als Interessenvertreter buhlen würden. Und in der Tat streckte 1964 die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ihre Fühler aus, um auch Soldaten in ihren Reihen zu organisieren. Es kam zum sogenannten Gewerkschaftserlaß des Verteidigungsministeriums vom 1. August 1966, wonach das Koalitionsrecht der Soldaten auch „den Beitritt und die Betätigung in Gewerkschaften“ einschließt. Nicht zuletzt wegen dieses Erlasses trat der Generalinspekteur, General Heinz Trettner, zurück. Nur wenige Soldaten wurden allerdings Mitglied der ÖTV. Um so beachtlicher war die Mitgliederentwicklung des Bundeswehr-Verbandes: Schon 1963 wurde das hunderttausendste Mitglied aufgenommen. Anfang der achtziger Jahre wurde der höchste Mitgliederbestand mit mehr als 250.000 registriert und hielt sich in dieser Höhe konstant, ehe sich die Zahl trotz des enormen Personalabbaus in der Bundeswehr infolge der Wiedervereinigung auf dem Stand von rund 220.000 einpendelte. Im Laufe seiner Existenz hat der Verband primär die sozialen Belange der Soldaten in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt und zahlreiche Veränderungen bewirken können. Nach der Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVA) bemühte sich der Verband auch um die Integration von früheren NVA-Soldaten. Rund 15.000 Soldaten der einstigen NVA sind dem Bundeswehr-Verband beigetreten. Die seit Anfang der neunziger Jahre zunehmenden Auslandseinsätze forderten zunehmend auch den Bundeswehrverband. So wurden vor allem die Interessen von Soldaten und deren Angehörigen in Fürsorgefragen wie Opferentschädigungen und Unterstützung von Hinterbliebenen im Einsatz getöteter Soldaten wahrgenommen (JF 27/06). Der seit 1993 amtierende Vorsitzende, Oberst Bernhard Gertz, griff häufig die sich überschlagenden Umstrukturierungsmaßnahmen an und bewertete auch zahlreiche Auslandseinsätze skeptisch. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Gertz sogar als „der oberste Soldat“ der Bundeswehr. Foto: Verteidigungsminister Strauß (M.), Molinari: Mangelwirtschaft