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Die Wähler fühlen sich verraten

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Die Wähler fühlen sich verraten

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Erst schleichend, nun immer rascher verändert das Land sein Gesicht. Innerhalb nur einer Generation sind die weißen Amerikaner, die Nachfahren der einstigen europäischen Einwanderer, in vielen Gebieten in die Minderheit geraten. In 35 der 50 größten US-Metropolen stellen sie inzwischen weniger als 50 Prozent der Bevölkerung. Es bestehen dort nun „Multi-Minoritäten-Gesellschaften“, wobei der Anteil der Schwarzen eher stagniert, der Anteil der Asiaten leicht wächst und derjenige der Latinos geradezu explodiert. Hält die Einwanderungswelle aus Mexiko an, so werden die USA in einigen Jahrzehnten über weite Strecken „hispanisiert“ sein, denn eine Assimilation wie bei früheren Einwanderern findet kaum noch statt. In einigen südwestlichen Bundesstaaten hat Spanisch das Englische als Verkehrssprache bereits verdrängt. Sorgen wegen der bedrohten angelsächsischen Identität hatte zuletzt Samuel Huntington in seinem Buch „Who Are We?“ geäußert. Der Umgang mit den geschätzten elf Millionen illegalen Einwanderern ist – neben dem Debakel im Irak – zum möglicherweise entscheidenden Thema des laufenden Wahlkampfs geworden. Im November entscheiden die US-Bürger über die neue Zusammensetzung des bislang republikanisch dominierten Repräsentantenhauses. Die Republikaner von Präsident George W. Bush sind in der Einwanderungsfrage uneinig. Der Wirtschaftsflügel plädiert für eine liberale Politik. Die billigen Arbeitskräfte, vor allem in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt, beflügelten die US-Wirtschaft und bescherten den Konsumenten günstige Produkte und Dienstleistungen, argumentieren sie. Doch unter den US-Arbeitnehmern herrscht große Verunsicherung wegen der neuen Konkurrenz. Laut Umfragen befürwortet die Mehrheit der Wähler eine deutlich strengere Einwanderungspolitik. Während das Repräsentantenhaus im Dezember 2005 auf Initiative des Republikaners Tom Tancredo aus Colorado einen restriktiven Gesetzesentwurf verabschiedet hat, der den weiteren Zustrom aus Mexiko durch schärfere Sicherheitskontrollen drosseln will, hat sich der Senat im Mai mit den Stimmen der meisten Demokraten und einiger Republikaner für ein permissiveres Einwanderungsrecht ausgesprochen. Zwar fordert die parteiübergreifende Vorlage der Senatoren John McCain und Ted Kennedy auch einen schärferen Grenzschutz durch einen verstärkten 700 Kilometer langen Zaun im Süden, zugleich soll aber ein Gastarbeiterprogramm die Einwanderung verstetigen und bereits eingereisten Illegalen die US-Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt werden. Das US-Ministerium für Innere Sicherheit teilte letzten Freitag wählerwirksam mit, man werde die US-Grenze zu Kanada und Mexiko künftig mit einem neuartigen System von 1.800 Türmen, Kameras und Bewegungsmeldern überwachen. Der entsprechende Großauftrag an den Boeing-Konzern für den „unsichtbaren Zaun“ soll einen Gesamtwert von 2,5 Milliarden Dollar (knapp zwei Milliarden Euro) haben. Bush selbst hat hingegen mehrfach erklärt, daß er die mexikanische Einwanderung eher als ökonomische und kulturelle Bereicherung sieht. Dabei geht es ihm und Parteistrategen wie Karl Rove aber vor allem um Wählerstimmen. Sie sehen in den Latinos eine künftig bedeutsame politische Kraft und mögliche neue Basis für die Partei. Daß die Einwanderer sich zu organisieren beginnen, haben die Großdemonstrationen zum 1. Mai gezeigt. Aber der Rove vorschwebende Übergang von einer Partei mit angelsächsisch-protestantischen Wurzeln zu einer zunehmend hispanischen Einflüssen geöffneten Bewegung erweist sich als schwierig. Die alten Wählerschichten fühlen sich verraten. Als einer der schärfsten Kritiker der bisherigen Einwanderungspolitik tritt der dreimalige Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan auf. Sein kürzlich erschienenes Buch „State of Emergency“ hat sofort die Spitze der Verkaufslisten erstürmt und die Debatte weiter angeheizt. Der konservative Journalist sieht die soziale Infrastruktur und kulturelle Einheit der USA durch die Masseneinwanderung akut in Gefahr. Der Strom der Migranten sei längst nicht mehr zu assimilieren, es drohe eine „Balkanisierung“, warnt er. Am Notstand in Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen in den südlichen Bundesstaaten sei abzulesen, wohin die Masseneinwanderung führe. Insgesamt entwirft Buchanan die düstere Vision einer in zahlreiche Minderheitengruppen zerfallenden Gesellschaft, die schließlich in Chaos und Gewalt ende. Zudem sieht er Parallelen zur muslimischen Einwanderung nach Europa und erwähnt die frühe Warnung des französischen Autors Jean Raspail (JF 34/06) vor einer zunächst friedlichen Invasion. Die Rassenunruhen in den Pariser Vororten vor einem Jahr erkennt Buchanan als Menetekel kommender Konflikte. „Die Islamisierung Europas ist eine unvermeidliche Konsequenz, nachdem die Europäer aufgehört haben, sich selbst zu reproduzieren.“ Allerdings hinkt der Vergleich: Die nach Europa einwandernden arabischen und nordafrikanischen Muslime entstammen einem fremden Kulturkreis – die mexikanischen Latinos sind katholische Christen. Zu Recht jedoch warnt Buchanan vor sozialen und kulturellen Spannungen, wenn die Wucht des Einwandererstroms die Integrationskapazität der alteingesessenen Bevölkerung übersteigt. Hohe Kriminalitätsraten und Verwahrlosung seien die Folge. Kurz nach Erscheinen des Buchs wurde Buchanan von Anhängern zu einer erneuten politischen Kandidatur gedrängt, was er ablehnte. Indirekt ist aber sein Einfluß spürbar wie schon seit Jahren nicht mehr. „Wenn die Zwischenwahlen 2002 der ’neokonservative Moment‘ in der amerikanischen Politik waren, so besteht die Gefahr, daß die Zwischenwahlen 2006 der ‚paläokonservative Moment‘ werden“, warnte der Economist in einem Artikel über Buchanan. Es drohe dann die Spaltung der republikanischen Partei, so das wirtschaftsnahe Blatt, das eine „Mistgabelrebellion“ der rechten Basis kommen sieht. Patrick J. Buchanan: State of Emergency: The Third World Invasion and Conquest of America, Thomas Dunne Books 2006, gebunden, 308 Seiten, 22,50 Euro Foto: Illegale Einwanderer aus Mexiko an der US-Südgrenze: Warnung vor einer „Balkanisierung“ der USA

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