Weder die Parteitage von CSU und CDU Ende des abgelaufenen Jahres noch die Klausurtagungen von Wildbad Kreuth und Kiel in der vergangenen Woche haben die Union vorangebracht. Das Medienurteil war mäßig bis abwertend, und das lag nicht an der jeweiligen politischen Grundeinstellung der Berichterstatter. Die Präsentation der Veranstalter – ob Stoiber, Merkel oder ihre engsten Helfer – hat kaum jemanden „vom Hocker gerissen“. Wenn „Wir wollen nun nicht mehr über uns, sondern über den politischen Gegner und seine miserable Politik reden“ schon eine „Botschaft“ sein sollte, dann war das angesichts des Wahlkampfauftakts für Schleswig-Holstein mehr als dürftig. Haften geblieben sind die Sticheleien gegeneinander, denen sich weder die Wortführer der CSU in Kreuth noch die der CDU in Kiel enthalten konnten. Jetzt wiederholt sich, heute gewiß mit anderen Schwerpunkten, was CDU und CSU in ihrer ersten Oppositionsphase in den siebziger Jahren vorgeführt hatten: Der auch damals immer wieder heruntergespielte, aber dennoch wesentliche Kampf ihrer Vorsitzenden um die Kanzlerkandidatur. Damals Strauß kontra Kohl – heute Stoiber kontra Merkel. Da mögen die großen Taktiker und Strategen noch so oft beteuern, daß diese Frage jetzt nicht zu entscheiden sei und bis Anfang 2006 Zeit habe. Es nützt nichts. Das Thema wird nicht nur nicht von der Tagesordnung der Medien verschwinden, es lähmt die beiden Parteien selbst, vor allem aber die gemeinsame Fraktion im Bundestag. Nun werden für längere Zeit die Tsunami-Katastrophe in Südostasien, das Krisenmanagement und seine Finanzierung die Hauptthemen sein. Dabei kann eine Opposition wenig Punkte sammeln. Gewiß hat sich Schröder mit seiner Hilfszusage über 500 Millionen Euro weit aus dem Fenster gelehnt. Aber erstens stünde eine Opposition – und ganz besonders eine mit christlichem Namen – angesichts der außergewöhnlichen Spendenbereitschaft unserer Bürger miserabel da, wenn sie daran herumkritteln würde. Und zweitens hat Bundeskanzler Schröder durchaus recht, wenn er betont, daß sich die Summe ja über Jahre verteilt, daher nur einen Bruchteil am Bundeshaushalt ausmacht und somit durch Umschichtungen aufzubringen wäre. Und drittens weiß Schröder schon jetzt, daß diese Summe wahrscheinlich von den betroffenen Staaten niemals vollständig abgerufen wird. Auch bisher – bei Hochwasserfluten an Oder und Elbe, Erdbeben im iranischen Bam, Hurrikan-Schäden in Mittel- und Südamerika – sind längst nicht die gesamten ursprünglich genannten Wiederaufbauhilfen abgerufen worden. Da werden sich für die Union auf absehbare Zeit wenig neue Erkenntnisse und ermutigende Umfrageergebnisse bieten, welche Hellsicht in der Frage ihres Kanzlerkandidaten aufzwingen. Zudem zeigt sich schon so kurz nach der asiatischen Katastrophe, daß Schröder und Fischer sie zu neuen außenpolitischen Vorstößen nutzen wollen und werden. Das wird im Hinblick auf bessere Koordination in der Europäischen Union ebenso geschehen wie in Fragen der erweiterten Mitwirkung in den Vereinten Nationen, Stichwort: ständiger Sitz Deutschlands im Weltsicherheitsrat. Weitere werden folgen, die allesamt die innerdeutsche Lage an den Rand drängen. Da bedürfte es schon einer sehr einfallsreichen, in der Tat einigen und mit einer deutlich einheitlichen Stimme sprechenden Opposition, wenn sie in der Öffentlichkeit wieder punkten möchte.
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