In Halberstadt ist eine Lücke der Erinnerungskultur geschlossen worden: Anfang April wurde in der 1945 durch amerikanische Bomber fast völlig zerstörten Stadt ein Denkmal errichtet, mit dem die Aufbauarbeit der sogenannten Trümmerfrauen gewürdigt werden soll. In Westdeutschland gehören die Trümmerfrauen neben dem VW-Käfer oder den Erinnerungen an den ersten Italienurlaub zu den wichtigsten Symbolen des „Wirtschaftswunders“. Zweifellos ist ihr unbändiger Lebensmut das volkstümlichste Symbol des Aufbauwillens der unmittelbaren Nachkriegszeit. Ohne die Tatkraft dieser Frauengenerationen ist der Wiederaufbau der zerstörten deutschen Städte undenkbar. Auch der spätere Wohlstand wäre ohne sie nie möglich gewesen. In den Westzonen war knapp 45 Prozent des Wohnraumbestandes der Vorkriegszeit total zerstört oder schwer beschädigt. In Mitteldeutschland existierten fast 640.000 Wohnungen nicht mehr oder waren unbewohnbar. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, daß den Trümmerfrauen hierzulande nur wenige Monumente gesetzt wurden, obwohl es bei uns in den letzten Jahrzehnten an Denkmalseinweihungen aller Art bekanntlich nicht mangelte. Überregional bekannt ist allenfalls die Skulptur einer „Trümmerfrau“ (sowie eines „Abbrucharbeiters“) vor dem Roten Rathaus in Berlin-Mitte. Auch die Geschichtswissenschaft hat das Thema stiefmütterlich behandelt. Viele Werke beschränken sich auf die Dokumentation von Zeitzeugenberichten; eine umfassende Überblicksdarstellung für ganz Deutschland gibt es bis zum heutigen Tag nicht. Zwar ist der Handlungsbedarf hinsichtlich einer öffentlichen Ehrung der Trümmerfrauen mancherorts erkannt worden. Doch die Würdigung einer eindeutig positiven kollektiven Leistung von Deutschen fällt nach wie vor schwer. In der Folge kommt es dann zu Gedenkdebatten, wie sie die Kölner Bezirksvertretung Innenstadt im Mai 2004 erlebte. In Köln blockieren die Grünen ein Denkmal Die dort zusammen mit der CDU regierenden Grünen blockierten die Errichtung eines entsprechenden Denkmals mit dem Einwand, daß noch Diskussionsbedarf hinsichtlich möglicher Vorbelastungen der Trümmerfrauen bestehe. Erst müsse geklärt werden, „ob unter den Trümmerfrauen, die Köln wieder aufgebaut haben, nicht auch solche gewesen sein könnten, die in der Nazi-Zeit Täterinnen waren“, forderte die örtliche Parteisprecherin Roswitha Berscheid. Denn es dürfe auf keinen Fall zu einer „Verklärung der Geschichte“ kommen. Die grüne Bezirksvorsteherin Elisabeth Thelen machte das Maß an Absurdität voll, indem sie zwar grundsätzliche Zustimmung zu den Kölner Denkmalsplänen bekundete, jedoch nur, wenn „klipp und klar die Leistung der Frauen“ gewürdigt würde. Doch der CDU-Antrag beziehe auch Männer ein, klagte sie. Dabei kann nicht ernsthaft bestritten werden, daß auch eine große Zahl von Männern – namentlich Jungen und Greise – bei der Aufbauarbeit Hand anlegte. Was die mögliche NS-Belastung einzelner Trümmerfrauen betrifft: Es geht bei der Ehrung durch ein Denkmal ja gerade nicht um die Würdigung von Einzelschicksalen, sondern um die Herausstellung einer Kollektivleistung. Die Vorbehalte erinnern fatal an Stellungnahmen in der Diskussion um die Wehrmachtsausstellung und offenbaren die Psychose von der angeblichen Kollektivschuld der deutschen „Täter“-Generationen, die nichts wirklich Ehrenwertes hervorbringen konnten. In Halberstadt in Sachsen-Anhalt verfingen diese Gedankengänge nicht. Die Finanzierung des Monuments auf dem Holzmarkt hatte eine Wirtschaftsvereinigung übernommen. Wie die Stadtverwaltung mitteilte, soll das Denkmal „in Dankbarkeit und Anerkennung“ an die Hunderte Frauen und Mädchen erinnern, die in der schwer zerstörten Stadt am Harz nach Kriegsende Steine geklopft und gestapelt sowie die Trümmerwagen geschoben haben. 1,5 Millionen Kubikmeter Schutt Keine leichte Aufgabe: Schätzungsweise 1,5 Millionen Kubikmeter Schutt mußten in der Stadt beiseite geräumt werden, ehe das Leben wieder einen halbwegs normalen Verlauf nehmen konnte. Die unermüdliche Arbeit der Trümmerfrauen wird auf einer Schrifttafel ergänzend zur eigentlichen Plastik hervorgehoben, die das zerstörte mittelalterliche Zentrum Halberstadts zeigt. Nachdem hier die 8. US-Flotte am 8. April 1945 in nicht einmal einer halben Stunde ihre Bombenlast abgeworfen hatte, lagen drei Viertel des „Rothenburgs des Nordens“ mit seinen bis dahin 1.600 Fachwerkhäusern in Schutt und Asche. 2.000 Menschen starben, rund 25.000 wurden obdachlos.
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