Die Diskussion über die grausame Praxis der Spätabtreibungen ist in Deutschland neu entbrannt und beschäftigt mittlerweile auch den Bundestag. Grund für das wiedererwachte Interesse war nicht zuletzt ein im vergangenen Jahr in den USA verabschiedetes Gesetz, das Abtreibungen nach der 22. Schwangerschaftswoche generell verbietet. In Deutschland ist seit der Neuordnung des Abtreibungsgesetzes im Jahr 1995 ein Abbruch auch nach der 12. Schwangerschaftswoche möglich, wenn für die Mutter oder für das Kind eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes besteht. Diese Sonderregelung gilt ohne Befristung bis unmittelbar vor der Geburt. Ursprünglich hat man bei der Regelung an Gefahren für die Mutter gedacht. Doch mittlerweile hat sich gezeigt, daß durch dieses Gesetz der Lebensschutz behinderter Babys vor der Geburt gänzlich aufgehoben ist. Weil auch Ärzte für eine Behinderung des Kindes haftbar gemacht werden können, neigen diese dazu, bei einer auch nur zweifelhaften pränatalen Diagnostik eine Abtreibung zu empfehlen. Eine solche vorgeburtliche Selektion kommt damit de facto der Euthanasie gleich. Für 2003 weist die Statistik 377 Spätabtreibungen aus, Vertreter der Ärzteschaft gehen allerdings von mehr als achthundert Fällen aus. Die Tendenz ist eindeutig steigend. Zwei Methoden stehen für die Spätabtreibung zur Wahl. Die Injektion von Kaliumchlorid ins Herz wird in Deutschland nur selten angewandt, da sie von vielen Ärzten als barbarisch empfunden wird. Meistens entschließt man sich daher, frühzeitige Wehen einzuleiten. Doch da Kinder ab der 22. Schwangerschaftswoche auch außerhalb des Mutterleibs als lebensfähig gelten, kommt es gelegentlich vor, daß ein Kind dann lebend zur Welt kommt. Berühmt wurde vor sieben Jahren das „Oldenburger Baby“ Tim, das von den Ärzten neun Stunden lang ohne jede Behandlung liegen gelassen wurde – und überlebte. In Deutschland formierte sich anschließend der Widerstand gegen die Spätabtreibung ( www.tim-lebt.de ). Nachdem im Sommer eine fraktionsübergreifende Initiative zur Begrenzung der Spätabtreibung scheiterte, haben Vertreter der Union im Bundestag einen Antrag eingereicht, um zumindest einen Rückgang der Zahl der Spätabtreibungen zu erreichen. Am 16. Februar wird es dazu eine Anhörung im Bundestag geben. Der Antrag erhält nun Unterstützung von den katholischen Bistümern Deutschlands. Kirchenzeitungen im ganzen Land haben zu Unterschriftenaktionen aufgerufen. Einzig die katholische Aktion Leben e. V. wendet sich gegen diese Unterschriftenaktion, da sie in der Verurteilung der Spätabtreibung eine Absegnung der Frühabtreibung erkennt. Doch der Aktion geht es um eine Eindämmung des Unrechts und um das Ende einer besonders grausamen Praxis. So fordern die Unterzeichner ein generelles Ende der Spätabtreibung, wenn nicht das Leben der Mutter akut bedroht ist. Außerdem soll eine Behinderung des Kindes künftig kein Abtreibungsgrund mehr sein. Ein behindertes Kind soll nicht mehr als Schaden bezeichnet werden dürfen, und den Eltern, die eine vorgeburtliche Diagnostik ablehnen, darf daraus kein Nachteil entstehen. Die Aktion endet am 31. Januar. Unterschriftenlisten sind bei allen katholischen Bistümern und Verbänden sowie im Internet unter www.bistum-wuerzburg.de erhältlich.