Israel ist das Projekt und das Produkt des Zionismus – ein (mehrheitlich) jüdischer Staat, aber eben nicht Identifikationspunkt und Staat aller Juden. Weder das israelische Volk als Ganzes noch gar das Judentum als Ganzes ist haftbar und verantwortlich zu machen für die Politik Israels oder für dessen momentane Regierung. Man kann Jude sein, man kann projüdisch sein und für das Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen eintreten, ohne deshalb die antipalästinensische Politik des blinden „Terror gegen Terror, Mord gegen Mord“ oder Expansionspläne über das Kernland hinaus zu billigen. Ironie der Geschichte: Der subjektive Judenfeind Hitler hat zu Lebzeiten mehr gegen bestimmte Juden und mit beziehungsweise nach seinem Untergang mehr für bestimmte Juden getan als irgend jemand sonst in seiner Epoche. Ohne Judenverfolgung und Judenmord durch den deutschen Staat, ohne die totale Niederlage Deutschlands hätte die im Judentum zunächst minderheitliche bis sektenartige Richtung des politischen Zionismus sich kaum so nachhaltig durchsetzen können gegen das assimilierte Judentum im Westen, welches Religion und Abstammung als pure Privatsache beziehungsweise als eine Art innerfamiliäres Kulturgut betrachtete, wie gegen die radikale messianische Richtung im Osten Europas, die jede weltliche Reichsbildung vor dem Kommen des Messias als Gotteslästerung ansah. Ohne Hitler, ohne den Untergang der Achsenmächte, ohne die Kriegsmüdigkeit im siegreich-ruinierten Großbritannien hätten es die zionistischen Aufständischen niemals geschafft, einen eigenen Staat zu erkämpfen, hätten die notorischen Gangstermethoden der Londoner Kolonialpolitik genauso funktioniert wie nach dem Ersten Weltkrieg, als man in der Balfour-Deklaration den Juden einen eigenen Staat und den Arabern die uneingeschränkte Macht in Palästina versprach, um anschließend die einen wie die anderen leer ausgehen zu lassen und sie im Sinne des „Teile und Herrsche“ weiter gegeneinander zu hetzen. Wenn im geschichtlichen Rückblick deutlich wird, daß Feinde hilfreicher sein können als alle Freunde zusammen, so sollte man nicht vergessen, daß oft genug angebliche Vorkämpfer einer Sache objektiv gesehen deren schlimmste Gegner sind. In der Tat ist gegenwärtig – mit und neben den Siedler-Aktivisten – der größte Feind der Zukunft Israels jener Gewaltanbeter, der sich mit der bewußten Lüge, er werde die Intifada beenden können, an die Spitze getrickst hat und der selbst den eher ungerechten und unausgeglichenen Ausgleich der „Road-Map“ verweigert. Rolf Stolz ist Mitbegründer der Grünen und lebt als Publizist in Köln.