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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Ein eindeutig politisches Urteil

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wir sind gescheitert in der Hoffnung, in einem Rechtsstaat zu leben.“ Resigniert und verzweifelt faßte Karl Homer, Sprecher des Bundes der Neusiedler-Erben (BNE), vergangene Woche das Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zusammen. Alternativ zur Pressekonferenz mit den früheren DDR-Politikern Hans Modrow (PDS) und Lothar de Maizière (CDU) hielten die Vertreter der offiziell etwa 70.000 durch das Urteil benachteiligten Neusiedler-Erben, die in der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) organisiert sind, in den Räumen des Mauermuseums am Checkpoint Charlie ihre Versammlung ab. Einer Zusammenarbeit vor allem mit der PDS wollte ARE-Vorsitzender Manfred Graf von Schwerin aus dem Wege gehen. Dabei läge oberflächlich gesehen ein gleiches Interesse vor, haben doch PDS-Politiker ebenfalls das Urteil der Großen Kammer vom 30. Juni scharf kritisiert, allen voran deren Ehrenvorsitzender Modrow, nach dem das Gesetz vom 16. März 1990 benannt wurde, durch welches alle Verfügungsbeschränkungen bezüglich der Eigentümerrechte aus der Bodenreform aufgehoben wurden. Doch der ARE-Vorsitzende erkennt dabei nur Fassade, habe doch die mit der SPD in Schwerin zusammen regierende PDS nichts unternommen, um die rührige Politik des dortigen Kabinettsmitgliedes und Landwirtschaftsministers Till Backhaus (SPD) zu unterbinden, der massiv gegen alle Ansprüche der rot (1945 bis 1949) oder schwarz (1992) Enteigneten vorgegangen sei. Zudem seien durch die verweigerte Konfiskation in vielen Fällen frühere SED-Kader aus den Leitungen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR mit ihren nun nicht selten über tausend Hektar großen Betrieben die heutigen Nutznießer dieser Politik. Allen Anwesenden der ARE-Pressekonferenz – unter ihnen etwa zwei Dutzend durch das von der CDU-Regierung 1992 beschlossene „Zweite Vermögensänderungsgesetz“ entschädigungslos Enteigneter – war die Skepsis über das einwandfreie Zustandekommen des Straßburger Urteils gemein. „Das Urteil ist eindeutig politisch“, kommentierte Manfred Graf von Schwerin. Die ebenfalls anwesende Prozeßbevollmächtigte beim EGMR, die Rechtsanwältin Catherine Wildgans, monierte, daß die Zusammensetzung des 17köpfigen Richtergremiums in der Großen Kammer wenig transparent vollzogen wurde. Das Urteil hat 70.000 neue Mittelständler verhindert So sei das Votum von sechs zu elf Richtern, die den Eigentumsschutz verletzt sehen, und zwei zu fünfzehn Richtern, die einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot erkannten, nicht zuletzt auf die völlig andere Besetzung als vor der Kleinen Kammer zurückzuführen, die noch im Januar 2004 den Beschwerdeführern der Neusiedlererben einstimmig recht gab. Allein auf diesem Wege könne ein Richterspruch durch die Politik in den Europarats-Staaten, die den EGMR besetzen, direkt beeinflußt werden. „Auffällig ist, daß besonders viele Richter aus osteuropäischen Ländern gegen die Interessen der Enteigneten entschieden haben“, faßte von Schwerin zusammen. Nicht zuletzt die Angst, einen Präzedenzfall für die unklaren Eigentumsordnungen in den Heimatstaaten zu schaffen, kann deren Votum massiv beeinflußt haben. Neben dem Präsidenten der Großen Kammer aus der Schweiz Luzius Wildhaber haben seine Richterkollegen aus Großbritannien, Österreich, Griechenland, Finnland, Aserbeidschan, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Polen, Rumänien und der Ukraine das Urteil gegen das Minderheitenvotum des Deutschen Georg Ress und seiner Kollegen aus Frankreich, Spanien, Portugal, Bulgarien und Moldawien durchsetzen können. Mit höhnischem Lachen wurden die von Wildgans vorgetragenen Begründungen aus dem vorläufigen Urteilsspruch von den Betroffenen kommentiert. Besonders die im Urteil festgestellte „gerechte Abwägung zwischen dem Schutz des Eigentums und den Erfordernissen des Allgemeininteresses“ konnte von Schwerin nur bitter feststellen: „Das Urteil hat dafür gesorgt, daß es im Osten nun nicht die dort dringend gebrauchten 70.000 Mittelständler geben wird, die dieser Region neue Impulse und vor allem Arbeitsplätze beschaffen könnten.“ Nun werden weiter arbeitskräfteextensive Agrarfabriken die Struktur dominieren. Zudem ist der Staat immer noch im Besitz großer Flächen enteigneten Landes. Nicht zuletzt deshalb beeilte sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), das Urteil zu begrüßen – behält so dem Staat doch einen Großteil des etwa eine Milliarde Euro hohen Streitwerts für sich. „Justiz nach Kassenlage“, wie es Karl Homer bezeichnete. Genauso wie den zwischen 1945 und 1949 Enteigneten bleibt den Neusiedlererben ein weiterer juristischer Weg mit Erfolgsaussicht versperrt. Den Interessenverbänden BNE oder ARE bleibt nun nur noch die Kärrnerarbeit als politische Lobby – wohlwissend, daß sich mit dem jetzigen Urteil die Ausgangslage verdüstert hat.

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