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Marc Jongen, ESN Fraktion

Verzweifelte Genossen

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Aus zweierlei Gründen wird der Wahlkampf um die Hamburger Bürgerschaft mit großer Aufmerksamkeit betrachtet: Erstens gilt der 29. Februar – die erste Wahl eines Landesparlaments in diesem Jahr – als ein Stimmungsbarometer für die bundesweite politische Befindlichkeit, und zweitens ergeben die verschiedenen aktuellen Umfragen ein spannendes, da knappes Rennen zwischen der Union einerseits und der rot-grünen Opposition andererseits. Die SPD, die bei der letzten Wahl 2001 mit 36,5 Prozent noch stärkste Kraft in der Bürgerschaft wurde, sank in einer Umfrage von Infratest dimap auf einen Wert von 30 Prozent ab und könnte nur mit Hilfe der Grün-Alternativen Liste (GAL), die sich in dieser Umfrage auf eine Zustimmung von 15 Prozent verbesserte (2001: 8,6), die mit 45 Prozent führende Union (2001: 26,2) um die absolute Mehrheit bringen. Anderen Instituten zufolge gibt es jedoch kein Patt zwischen beiden Lagern, sondern noch immer einen knappen Vorsprung der Christdemokraten. So kommt nach einer Forsa-Umfrage die CDU auf einen Spitzenwert von 48 Prozent, während die SPD auf lediglich 28 Prozentpunkte absackt, die dann selbst mit den Grünen (13 Prozent) keine Mehrheit in der Bürgerschaft erreichen könnte. Eine schwarze Alleinregierung im Senat der Hansestadt, die über Jahrzehnte hinweg eine sichere Hochburg der Sozialdemokraten war, wäre ein sensationelles Novum. Daß im Hinblick darauf jetzt mitten im Wahlkampf der Rückzug Gerhard Schröders vom SPD-Vorsitz angekündigt wurde, zeigt die Verzweiflung der Genossen angesichts ihrer trostlosen Lage an der Elbe. Denn mit Schröder ging auch der geschwächte Generalsekretär Olaf Scholz – nebenbei SPD-Landesvorsitzender in Hamburg. Seine im Stimmungstief verharrenden Genossen, allen voran der Spitzenkandidat Thomas Mirow, versicherten postwendend, daß Scholz weder für eine erneute Kandidatur um den Vorsitz im Landesverband noch für ein etwaiges Senatorenamt zur Verfügung stehe. Profitieren kann die Union jedoch nicht nur von den schlechten Werten der SPD und dem geringen Ansehen der im Reformstreit versinkenden Bundesregierung. Hinzu kommt die große Beliebtheit des CDU-Spitzenkandidaten und Bürgermeisters Ole von Beust. Auf seine Person ist denn auch der Wahlkampf fast vollständig ausgerichtet, nicht zuletzt deshalb, weil die Zustimmung zur Arbeit seines Senats deutlich schlechter ausfällt. Schnittmenge zwischen CDU und Grünen ist gering Aus ihrem Streben nach der alleinigen Senatsmehrheit macht die CDU kein Hehl. So muß sie auch die von FDP-Chef Guido Westerwelle eingeforderte Koalitionsaussage zugunsten der Liberalen vorsichtig zurückweisen. Denn sollten die Freidemokraten den Einzug in die Bürgerschaft nach einem zweijährigen Zwischenspiel erneut verpassen, kämen alle Prozentpunkte für die FDP einer Schwächung der CDU gegenüber Rot-Grün gleich. Sollte keines dieser beiden Lager auf eine alleinige Mehrheit kommen, wäre Beobachtern zufolge eine große Koalition unter Führung der Union wohl das wahrscheinlichste, wenn auch von beiden Seiten nicht beliebteste Szenario. Ein schwarz-grünes Bündnis hält man dagegen für nahezu ausgeschlossen – trotz der jüngst von CSU-Chef Edmund Stoiber allgemein als potentielle Alternative angeregten Form einer solchen Zusammenarbeit auf Länderebene. Die Schnittmengen beider Parteien in den wesentlichen Bereichen Wirtschaft, Bildung und vor allem Sicherheit sind zu gering, da die GAL in Hamburg mit ihrer bis in Kreise der gewaltbereiten „Autonomen“ hineinreichenden Klientel traditionell noch weiter links steht als die Bundes-Grünen. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive, die an der jetzigen Koalition noch mit zwei Senatoren beteiligt ist, mußte vor dem Landeswahlausschuß endgültig auf die Kurzbezeichnung „Schill“ verzichten. Als alleinige Schill-Partei tritt somit die Liste Pro Deutsche Mitte/Schill des ehemaligen Innensenators an. Der Rechtsmißbrauch der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, mit seinem Namen die Wähler zu täuschen, sei somit gescheitert, äußerte Ronald Schill in einer Pressemitteilung. In den Umfragen liegt Schills neue Gruppierung zwar mit drei Prozent unter der Fünf-Prozent-Hürde, hat jedoch deutlich bessere Chancen, in die Bürgerschaft einzuziehen, als seine ehemaligen Parteifreunde, die mit nur einem Prozent Zustimmung weit abgeschlagen sind. Offensichtlich scheint es der Partei Rechtsstaatlicher Offensive ohne ein polarisierendes Zugpferd nicht zu gelingen, ein eigenständiges Profil hervorzubringen. Während Schill versucht, in seinen früheren Hochburgen (etwa dem „Arbeiterviertel“ Wilhelmsburg) seine Anhängerschaft aus frustrierten SPD-Wählerschichten zu mobilisieren, bleibt der Offensive nur das Potential bürgerlicher Wechselwähler. Die werden jedoch nicht ihre Stimmen verschenken wollen und lieber das „Original“, also die CDU wählen, die sich zudem sämtliche Erfolge des amtierenden Offensive-Senators in puncto Innere Sicherheit zu eigen macht.

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