Auf der Suche nach Verbündeten wollen die USA im Irak-Konflikt die konservative Regierung Japans gern auf ihrer Seite wissen. US-Außenminister Colin Powell müßte sich seinen Aufenthalt in Japan – als der ersten Station seiner Asienreise – eigentlich viel leichter und einfacher vorgestellt haben, denn Japans proamerikanische konservative Partei, die Liberaldemokraten (LDP) unter Ministerpräsident Junichiro Koizumi, besitzt eine deutliche Mehrheit im Nationalparlament. Zwar kritisierte der linksliberale Parteichef der größten Opposition, der Demokratischen Partei (DP), Naoto Kan, am 22. Februar die Bush-Administration als „gefährliche Regierung“, doch ist die Opposition in Japan sehr klein und nicht besonders einflußreich, und selbst Kan hat nur eine knappe Mehrheit in seiner Partei. Die Sozialdemokraten (SP) und die Kommunisten (KP) erhielten bei der letzten Parlamentswahl nicht einmal fünf Prozent. Auch außerparlamentarisch ist die Opposition zur amerikafreundlichen Politik Koizumis fast nicht wahrnehmbar. Selbst beim weltweiten Antikriegsaktionstag am15. Februar demonstrierten ganze 5.000 Japaner in der 12- Millionen Metropole Tokio. So läßt sich konstatieren, daß die „Friedensbewegung“ in Japan ebenso wie die Studentenbewegung ein Begriff der Vergangenheit geworden ist. Japans Achtundsechziger-Generation (die „Zenkyoto Sedai“), die diese Bewegung prägte, besteht heute nur noch aus Nostalgikern, die von alten Studentenrevolten träumen und die Vitalität von Bundeskanzler Gerhard Schröder oder Außenminister Joseph Fischer beneiden. Auch die Arbeiterschaft ist weitestgehend ohne gesellschaftspolitischen Einfluß – der sozialistische Nationale Gewerkschaftsbund, Sohyo, wurde bereits aufgelöst, und was bleibt, ist nur die „nichtstreikende, nicht lohnerhöhungsforderende“, sehr unternehmerfreundliche und unpolitische Gewerkschaftsunion Rengo. Einige Gründe, warum die Japaner scheinbar keinen großen Protest gegen die Politik George W. Bushs in Nahost unternahmen, liegen in der auf Ostasien beschränkten Interessenpolitik des Landes, in der die USA als natürlicher Verbündeter betrachtet werden. Am 19. Februar schlug Japans Uno-Botschafter Koichi Haraguchi den neuen Beschluß vor, mit dem Japan praktisch dem US-Präsidenten Rückendeckung bot. Am 22. Februar traf Powell mit Junichiro Koizumi und mit der Außenministerin Yoriko Kawaguchi zusammen. Nach einem zweistündigen Meinungsaustausch bekräftigte Ministerpräsident Koizumi vor den Journalisten „die Wichtigkeit des US-Japanischen Pakts“ und „der internationalen Zusammenarbeit gegen die Massenvernichtungswaffen Iraks“. Tags darauf sprach Powell mit dem LDP-Generalsekretär Hiraku Yamazaki und mit Verteidigungsminister Shigeru Ishiba. Yamazaki, der Führer des rechten innerparteilichen Stromes der LDP, half Koizumi, seinen bisherigen politischen Kurs des Neonationalismus beizubehalten. Er ist Gegner der Vergangenheitsbewältigung und befürwortete wiederholt die Verehrung japanischer Kriegshelden des Ministerpräsidenten. Ishiba ist ein Vertreter der jungen Ultranationalisten der LDP. Er will die 1945 abgeschaffte Wehrpflicht wieder in Japan einführen. Yamazaki und Ishiba sind also die Wortführer eines „starken Japans“. Japans Interesse an Korea ist stärker als jenes am Irak Trotz des politischen Schulterschlusses zwischen Nippon und den USA ist die Zusage der Japaner wenig konkret. Außer einer Wiederaufbauhilfe für den Irak nach dem Krieg und der „psychologischen Hilfe für die USA“ dürfen die Amerikaner wenig erwarten. Tokio schickt keine Soldaten in die Golfregion und will sich an den Rüstungskosten der USA mit keinem Yen beteiligen, so wurde es in einem bilateralen Papier vereinbart. Für diesen – für Japan eigentlich winzigen – Schritt mußten die USA jedoch die Rolle Japans bei der Friedens- und Sicherheitspolitik in Ostasien anerkennen. „Im Gegensatz zu seinem Besuch in Japan scheint Powells Reise nach Südkorea und China nun sehr schwierig zu werden“, schätzten amerikanischen Medien diesen Schritt ein. Eine Schlüsselrolle Japans in der Nordkoreafrage wurde von China, Rußland, Nord- und Südkorea und selbst von den USA lange verweigert. Der Parteichef der Nationalliberalen (LP), Ichiro Ozawa, betonte, daß Japan die Uno als Zentralpunkt der Konfliktlösung ansehen wird, auch wenn dies zu Lasten der amerikanisch-japanischen Beziehung gehe. „Nordkorea statt Irak“, beschrieb Ozawa am 17. Februar in einer Pressekonferenz den künftigen außenpolitischen Schwerpunkt. Diese Haltung verkörpert auch die Stimmung in der japanischen Bevölkerung. Nach verschiedenen Meinungsumfragen sind zwar fast zwei Drittel der Befragten gegen einen Irak-Krieg, gleichzeitig betrachtet der größte Teil des japanischen Volkes Nordkorea als die eigentliche Gefahr. Das Anstreben einer nuklearen Bewaffnung der unberechenbaren Machthaber im nur wenige hundert Kilometer entfernten Nordkorea zeigt, daß die Bedrohung naturgemäß in Pjöngjang und nicht in anderen Weltregionen liegt. Obwohl im japanischen Volk eine klare Ablehnung einer Geo-, Öl- und Bombenpolitik der USA zu spürbar ist, richtet sich das Interesse zuallererst auf Korea.