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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

Hochmotiviert, aber schlecht gerüstet

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Hochmotiviert, aber schlecht gerüstet

 

Hochmotiviert, aber schlecht gerüstet

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Der Befund über die deutschen Streitkräfte ist weltweit gleich: Hochmotivierte Männer, aber veraltetes Material und eine dadurch begrenzte Durchhaltefähigkeit. Selbst die Elite-Einheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) hat Probleme. Für vernünftige Kommunikationsverbindungen sind die Männer auf US-Hilfe angewiesen. Und wenn sie in den Einsatz gehen, brauchen sie amerikanische Hubschrauber, es sei denn, sie kommen zu Fuß. Die Probleme der Bundeswehr sind mit einer Erhöhung des Verteidigungsetats nicht zu lösen. Vorher müssen sich die politischen Kräfte einigen, welche Interessen die Bundesrepublik eigentlich hat und wie sie wahrgenommen werden sollen. Krieg ist inzwischen wieder, entgegen den Lehrbüchern der Friedensbewegung, ein Mittel der Politik – und wahrlich nicht das letzte. Als es ab 1990 darum ging, nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall der Bedrohung durch den Warschauer Pakt die Friedensdividende zu kassieren, fiel den Bonner Politikern nur eines ein: Man gab Bundeswehr-Standorte auf, reduzierte die Zahl der Soldaten, verschrottete Panzer und Flugzeuge und reduzierte die Wehrdienstdauer. Neue Konzepte für die Soldaten wurden nicht entwickelt, wenn man einmal von den Ideen des weitsichtigen ehemaligen Heeresinspekteurs Helmut Willmann absieht, der die KSK-Truppe schuf. Noch immer bestimmte die Notwendigkeit, Truppen gegen einen massiven Panzerangriff aus dem Osten vorzuhalten, die Sicherheitspolitik der Bundesregierung. Bei den militärischen Beschaffungsvorhaben dominiert dieses Leitbild bis heute. Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzfähig Obwohl der Bundeswehr eine neue Struktur nach der anderen verordnet wurde, änderte sich auch nach dem Amtsantritt der ersten rot-grünen Koalition fast nichts. Kanzler Gerhard Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel (SPD) setzten weitere Kürzungen des Verteidigungshaushaltes durch, um mehr finanziellen Spielraum für zivile Reformprojekte zu haben. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) flüchtete sich in die Illusion, durch Verkäufe von Grund und Boden sowie eine stärkere Zusammenarbeit mit der wehrtechnischen Industrie Milliarden einsparen und somit die verteidigungsinvestiven Ausgaben erhöhen zu können. Die ganze Aktion erwies sich, abgesehen von bescheidenen Erfolgen im Bereich des Pkw-Fuhrparks und des Bekleidungswesens, als Luftnummer. Die von Scharping unter großem publizistischen Donnerhall ins Werk gesetzte Bundeswehrreform war im Prinzip nichts anderes als die Fortsetzung der bisherigen Politik mit weniger Standorten und weniger Material. Die geplante Erhöhung der Zahl der Einsatzkräfte für Auslandseinsätze ging und geht jedoch nicht mit den erforderlichen Investitionen einher. So ist die Bundeswehr heute mit Flugzeugen, Hubschraubern und Panzern, die zum Teil 30 Jahre und älter sind, nur noch bedingt einsatzfähig, egal, ob es um Landesverteidigung oder Auslandseinsätze geht. Nicht vergessen werden darf allerdings, daß die Bundeswehr unter der rot-grünen Regierung erstmals in ernstzunehmende militärische Einsätze auf dem Balkan ging (übrigens ohne UN-Mandat, auf das man jetzt im Fall Irak so großen Wert legt). Die von der Kohl-Regierung zuvor befohlenen Missionen in Kambodscha und Somalia hatten nur den Charakter von Unterstützungsleistungen. Mit dem ISAF-Einsatz in Kabul und der nach dem 11. September 2001 begonnenen Mission „Enduring Freedeom“ begab sich Deutschland zum ersten Mal in die Reihe der militärischen „Global Player“. Wenn man einmal von Schröders Wort der „uneingeschränkten Solidarität“ mit den USA absieht, das inzwischen aber auch stark relativiert wurde, waren Ansätze einer anderen Militärdoktrin aber nicht sichtbar. Erst unter Scharpings Nachfolger Peter Struck (SPD) beginnen neue Ansätze einer deutschen Militärstrategie deutlich zu werden. Strucks Wort, die Verteidigung Deutschlands finde am Hindukusch statt, bedeutet nichts anderes als den Verzicht auf die klassische Panzerarmee vergangener Tage. Doch selbst diesen Worten folgten bisher zu wenige Taten. Mehr Geld für die Bundeswehr, die offenbar künftig am Hindukusch und allen anderen Krisenregionen dieses Planeten in Einsätze gehen soll, gibt es nicht. Im Gegenteil: Eichel setzte bei den jüngsten Haushaltsberatungen durch, daß der eigentlich bei 24,4 Milliarden Euro bis 2006 stabil bleibende Verteidigungsetat um 250 Millionen Euro gekürzt wurde. War es bei Scharping die Privatisierung, so verfiel Struck auf eine andere Idee, Geld zu sparen. Er will die Betriebskosten senken. Im Ergebnis setzen aber auch Strucks Reformen nur das Werk seiner Vorgänger fort. Standorte werden geschlossen, Panzer werden verschrottet, und die Marine muß sich von ihren Fliegern trennen. Darüber hinaus werden zahlreiche neue Investitionen zurückgefahren. Kurzfristig gespart wird damit wenig. Die von Struck genannte Summe von drei Milliarden Euro bis 2012 kommt dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein gleich. Zur Erfüllung der neuen Struck-Doktrin, Deutschland überall in der Welt zu verteidigen, fehlen nach wie vor die Kapazitäten. Die Bundeswehr hat nicht genügend minensichere Fahrzeuge. Daß sie außerdem keine Flugzeuge hat, die die Fahrzeuge transportieren können, fällt in diesem Zusammenhang kaum noch auf. Der neue Airbus-Transporter kommt frühestens 2008. Bis dahin könnten schon viele Konflikte ausgebrochen sein. Somit muß die Versorgung der deutschen ISAF-Truppen in Kabul mit 30 Jahre alten Transportern vom Typ Transall durchgeführt werden. Die für Konfliktszenarien immer wirkungsvolle Entsendung von Truppen per Schiff (während der Dampfer unterwegs ist, hat die Politik Zeit, den Konflikt friedlich zu lösen) ist für die Deutschen nicht möglich, weil die Marine keine Truppentransporter hat. Die Luftwaffe weiß nicht, ob sie ihr Schwergewicht auf Jagdbomber oder Jäger legen soll, und das Heer beschäftigt sich zu einem großen Teil mit der Ausbildung von Wehrpflichtigen für Panzertruppen, die gerade verschrottet werden. Infanteristen werden für Schlachten ausgebildet, die auf absehbare Zeit nicht mehr stattfinden werden. Statt dessen fehlt ein wirkungsvolles Konzept, wie die Bundeswehr zur Sicherung des inneren Friedens eingesetzt werden soll. Der Luftzwischenfall in Frankfurt am Main am 5. Januar hat die Handlungsnotwendigkeit gezeigt. Als ein entführtes Kleinflugzeug über Frankfurt kreiste, waren zivile und militärische Stellen überfordert. Ein Abschußbefehl an die aufgestiegenen Luftwaffen-Maschinen, wenn er gegeben worden wäre, hätte keine Rechtsgrundlage gehabt, sondern wäre allenfalls über den Weg des übergesetzlichen Notstands zu rechtfertigen gewesen. Wenn in Deutschland Terroristen zum Beispiel ein Einkaufszentrum besetzen und biologische oder chemische Waffen einsetzen würden, gibt es kein Konzept des verbundenen Einsatzes polizeilicher und militärischer Kräfte. Sicher ist allerdings, daß ein Vorfall wie die Geiselnahme in einem Moskauer Theater von der deutschen Polizei nicht zu beenden gewesen wäre. Es ist schon seltsam: Deutsche ABC-Abwehrkräfte stehen in Kuwait und könnten dort zum Einsatz kommen. Für einen Einsatz im Inland fehlt allerdings die Rechtsgrundlage. Union und SPD wollen an der Wehrpflicht nicht rütteln Die Parteien haben die Situation zum Teil erkannt und entsprechende Konzepte vorgelegt. So haben die Sozialdemokraten in einem Positionspapier die Verteidigung des westlichen Bündnisses mit schweren Panzerkräften zur Sache der neuen Nato-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa erklärt. Dies ist vor dem Hintergrund, daß die rot-grüne Koalition mit ihrem Verhalten in der Türkei-Frage gerade die Existenz der westlichen Allianz aufs Spiel setzt, ein zurückhaltend formuliert mutiger Vorschlag. Die SPD-Bundestagsfraktion muß offenbar bedingungslos den Verschrottungsplänen von Struck folgen. Hatte die Bundeswehr zum Ende des Kalten Krieges fast 6.000 schwere Panzer, so sind es derzeit nur noch knapp 1.600. Struck will die Zahl halbieren. Keine weiterführenden Angaben macht die SPD zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren, sondern lehnt die Übernahme polizeilicher Aufgaben ab. Die Union hat ein ausgewogeneres, wenngleich nicht ganz schlüssiges Konzept. CDU und CSU wollen eine starke Komponente der Landesverteidigung erhalten. Außerdem legen sie genauso wie die SPD Wert auf gestärkte Einsatzkräfte für Missionen im Ausland. SPD und Union wollen an der Wehrpflicht nicht rütteln, sondern treten nur für modernere Formen der Wehrverfassung ein. Das Spiel gegen die Wehrpflicht ist das Privileg der kleinen Parteien: Grüne und FDP wollen den Zwangsdienst junger Männer faktisch abschaffen. Während den Grünen jedoch nach wie vor die ganze Bundeswehr nicht geheuer ist, so daß sie den Umfang weiter stark reduzieren wollen, bleibt die FDP bei der Meinung der großen Parteien und betont die Bedeutung der Bereitschaft für Auslandseinsätze. Ein Gesamtsicherheitskonzept haben jedoch alle Parteien nicht, auch wenn dieses in den Thesen der Union gefordert wird. Nach wie vor wird die Gretchenfrage gemieden, wie Deutschland sich zu seinem größten und wichtigsten Verbündeten, den USA, stellt. Schröder hat in den zurückliegenden Wahlkämpfen einige Antworten gegeben, die einen längst vergangen geglaubten Wilhelminismus durchschimmern lassen. Wenn man dahinter eine Strategie vermuten sollte, müßte Deutschland dann in der Lage sein, militärische Aufgaben allein und ohne die USA durchzusetzen. Das ist jedoch ein Trugschluß, und deshalb wird Schröders Wilhelminismus genauso scheitern wie der des namengebenden Monarchen. Die Bundeswehr kann sich mit eigenen Kräften nicht einmal aus Kabul retten, vermutlich auch nicht aus dem Kosovo, wenn es ernst werden würde. Es bleibt dabei, daß deutsche Truppen, wenn es darum ginge, einen militärischen Auftrag irgendwo in Afrika zu erfüllen, nicht einmal in der Lage sind, rechtzeitig dorthin zu kommen. Die Bundesrepublik müßte, ehe sie ans Aufrüsten gehen würde, erst einmal ihre Interessen definieren: Bleibt sie ein unsicherer Kantonist in der Nato, der schon Bauchschmerzen bekommt, wenn Aufklärungsflugzeuge mit deutschen Soldaten in die Türkei geschickt werden? Oder will sie den Schulterschluß mit den wichtigsten europäischen Staaten Frankreich und Großbritannien suchen? Dann müßte die Bundeswehr zu strategischem Engagement in der Lage sein, was auf die nächsten Jahre ausgeschlossen werden kann. Es wird auch nicht einmal ansatzweise die Frage diskutiert, daß wirtschaftliche Interessen (Rohstoffversorgung) die Stationierung von Truppen in ferne Regionen notwendig machen könnte. Auch dazu wäre Deutschland nicht in der Lage, was aber nicht weiter auffällt, weil die Fragen nicht gestellt werden. So stehen deutsche Truppen in Kabul und im Kosovo, um Menschenrechte zu schützen, während man sich in Berlin der Debatte um die wirklichen Interessen des Landes verweigert. Solange diese Debatte nicht geführt wird, bleibt eine Erhöhung des Verteidigungsetats oder eine Reform der Wehrpflicht, die angegangen werden müßte, sinnlos. Mit den vorhandenen Kapazitäten und einer undefinierten eigenen Position bleibt nicht anderes übrig, als im Windschatten des Großen Bruders in Washington zu segeln. Der Nachfolger von Schröder wird das Verhältnis mit den USA schon wieder in Ordnung bringen. Fotos: Deutsche Soldaten an Bord eines C-160 Transall-Transportflugzeug: Keine Kapazitäten, um Deutschland überall in der Welt zu verteidigen / Spähpanzer Luchs mit Besatzung: Die Bundeswehr kann sich mit eigenen Kräften nicht aus Kabul retten

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