Es kracht im Gebälk der evangelischen Kirche in Deutschland. 5 von 24 Landeskirchen entschlossen sich, homosexuellen Lebensgemeinschaften eine Segnung in der Kirche zu erteilen. Und dies trotz einer Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) von 1996, „Mit Spannungen leben“, laut der die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspräche. Nachdem die nordelbische und die rheinischen Kirche bereits im Juni letzten Jahres eine Segnung im Gottesdienst ermöglichte, bat im Sommer die EKD alle Landeskirchen, keine weiteren Gesetze in dieser Richtung zu ändern. Eine Wirkung des Wortes blieb aus, der Ratsvorsitzende der EKD, der rheinische Präses Manfred Kock, wurde von drei weiteren Landeskirchen im Regen stehen gelassen. Kock erklärte noch Anfang Dezember vergangenen Jahres, „daß Homosexualität im Widerspruch zum Wortlaut der heiligen Schrift steht“. Unter den drei weiteren Synoden (JF 52/02 berichtete), die Kocks Weisungen nicht folgten, befand sich neben Berlin-Brandenburg und der Pfalz auch Hessen-Nassau. Mit so vielen Austritten der 1,9 Millionen Mitglieder zählenden Synode hatte deren Kirchenpräsident Peter Steinacker jedoch nicht gerechnet. Er sei „von der emotionalen Heftigkeit“ überrascht, so Steinacker in einem Interview mit der evangelischen Nachrichtenagentur idea. Man sei zu der Überzeugung gelangt, daß es viele Dinge in der Bibel gebe, „von denen wir heute fest überzeugt sind, daß Gott nicht mehr dafür ist.“ Auf der Netzseite der Landeskirche ist von „lebhaften Diskussionen und vereinzelten Austritten“ die Rede, die den Kern der Sache jedoch bei weitem verfehlen dürfte. Neben der Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, die in einem offenen Brief an Steinacker ihren Wechsel in die selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche ankündigte (JF 52/02-1/03), trat auch Helmut Arhelger aus Herborn (siehe Pro & Contra Seite 2) aus, da er sich nicht mehr zu einer Kirche bekennen könne, deren Synode in der Beschlußfassung „Gottes Wort derart mißachtet.“ Der hessische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlich-Demokratischer Lehrer, Karlheinz Welsch aus Dillenburg, gab gar seine Bevollmächtigung für den Religionsunterricht zurück. Er schickte die Urkunde dick durchgestrichen mit der Bemerkung „zurück!“ an die Landeskirche. Es sei für den Leiter der Westerwald-Schule in Driedorf unmöglich, gegenüber seinen Schülern eine Entscheidung wie die der hessisch-nassauischen Kirche zu vertreten. Er gebe zwar weiter Unterricht, „aber nicht im Namen der Kirche.“ Man solle es ihm doch verbieten, wenn man wolle, so der Lehrer, der schon 27 Jahre Unterricht gab. Eine Konfrontation halte er gern aus. Und Steinacker? Den Kirchenpräses ficht all dies nicht an. In erwähntem Interview stellt er auf innerkirchlich geführte Diskussionen ab. Man hätte sich lange mit den Römerbriefen des Paulus beschäftigt, und selbst ein Katholik wäre in einem Kommentar zu der Erkenntnis gekommen, „daß das, was Paulus unter Homosexualität versteht, nicht mehr dem entspricht, was wir heute darüber denken.“ Im Paulusbrief, Kapitel 1, Vers 26 und 27 heißt es: „Darum hat sie Gott auch dahingegeben in schändliche Lüste; denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Umgang in den unnatürlichen; desgleichen auch die Männer haben verlassen den natürlichen Umgang mit dem Weibe und sind einander entbrannt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein mußte, an sich selbst empfangen.“ Nach Ansicht Steinackers ist dort Homosexualität die „Folge der Reaktion Gottes auf falsche Gotteserkenntnis.“ Auf die Stellungnahme von 1996 angesprochen, weicht Steinacker aus, es gebe ja im zweiten Teil des Papiers Dienstvorschriften, in denen von homosexuell lebenden Pfarrerinnen und Pfarrer die Rede ist. „Das paßt nicht zusammen“, stellt er fest. Man habe im theologischen Ausschuß noch festgestellt, „daß es in unserer Trauliturgie keinen wesentlichen Unterschied gibt zwischen dem, was man für eine Lebenspartnerschaft und eine Ehe formulieren müßte.“ Wohlmöglich setzt sich ja die EKD mit den Homosegungen zustimmenden Synoden mit dem Briten Mark Whittaker in Verbindung. Der erfand erst kürzlich die „aufblasbare Kirche“. Dank dieser Erfindung könnten „sich Homosexuelle endlich auch in kirchlicher Atmosphäre das Jawort geben“, so der Erfinder. Davon sind wenige Landeskirchen nicht mehr so weit entfernt.