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Der Ruf des Machers

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Für Bundeskanzler Gerhard Schröder wird die Regierungsbildung zur Fortsetzung des Wahlkampfes mit gleichen Mitteln: Er muß ablenken und neue Themen setzen, um die eigentlichen Probleme zu vernebeln und zu vertuschen. Denn in den ersten beiden Wochen nach der Bundestagswahl war die wiedergewählte rot-grüne Koalition tief in den Sumpf einer Steuererhöhungsdebatte versunken. Munter stritten die beiden Parteien darüber, welche Steuern man nun erhöhen wolle oder solle: Auf der Hitliste ganz oben standen die Vermögens- und die Erbschaftssteuer, weil es schon immer zur sozialistischen Logik gehörte, die Wohltaten für das Volk von den angeblich Reichen bezahlen zu lassen. Clements politische Bilanz ist schwach Mit dem Versuch des Angriffs auf das Ehegattensplitting wurden sogar Ansätze der Systemveränderung deutlich. Wenn Ehegatten höher besteuert würden als getrennt Lebende oder Geschiedene, würde dies vielen konventionell lebenden Menschen die Existenzgrundlage wegziehen. Ehepartner würden gezwungen, eine Arbeit anzunehmen oder mehr Stunden zu arbeiten. Dann müßten die Kinder in die Kita. Wer in der DDR gelebt hat, dem dürfte diese Art „Familienpolitik“ nach der staatliche Organe die besseren Erzieher sind, noch hinreichend bekannt sein. Doch der Kanzler merkte schnell, daß dem Wahlvolk diese Debatte nicht gefiel. Flugs setzte er eine neue Duftnote: Mitten in den Koalitionsverhandlungen über die Außen- und Sicherheitspolitik, denen angesichts der Verstimmungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis große Bedeutung zugekommen wäre, präsentierte er einen neuen „Superminister“: Wolfgang Clement, bisher Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, soll künftig die Ressorts Arbeit und Wirtschaft verwalten. Der unglücklich operierende Walter Riester und der unbekannte Werner Müller müssen den Kabinettstisch verlassen. Damit hatte es Schröder wieder erreicht, daß die Republik über die personellen Struktruen seines Kabinetts redet und nicht über die inhaltlichen Ergebnisse der Koalitionsbildung. Clement bringt eine schwere Hypothek mit. Den Nachweis einer effektiven Wirtschaftspolitik hat er in seinen vier nordrhein-westfälischen Regierungsjahren bisher nicht führen können. Das größte Bundesland liegt abgeschlagen hinter Bayern und Baden-Württemberg, obwohl es mindestens genauso große oder sogar noch größere Potentiale hat wie der Süden der Republik. Mit den Inhalten bei Rot-Grün ist es in der zweiten Runde bisher nicht weit her. Schließlich lassen sich mit leerem Beutel keine weiten Sprünge machen. Nach wie vor ist die Frage offen, wie das im nächsten Jahr bei zehn Milliarden Euro veranschlagte und in den Folgejahren vermutlich weiter steigende Haushaltsdefizit gesenkt werden kann. Die im September leicht gesunkene Arbeitslosigkeit ist kein Hoffnungsschimmer. Nach den von der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit veröffentlichten Zahlen waren im vergangenen Monat 76.400 Menschen weniger arbeitslos als im August. Im Vergleich zum September vor einem Jahr stieg die Zahl allerdings um 198.800. Alle Konjunkturprognosen für das kommende Jahr mußten herabgesetzt werden. Die meisten Ökonomen erwarten im Winter eine wieder stark ansteigende Arbeitslosigkeit. Und Finanzminister Hans Eichel (SPD), der die Realität schon lange nur noch ausschnittweise wahrnimmt, will die Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit im kommenden Jahr kürzen. Eichels mittelfristige Finanzplanung hat sich angesichts dieser Wirtschaftsdaten bereits heute erledigt. Schröder vertraut offenbar darauf, daß Clement, der sich in SPD-Kreisen den Ruf eines Machers erworben hat, das Ruder doch noch herumreißt. Mit der Schaffung des „Superministeriums“ hat Schröder bereits einen Plan von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber aufgenommen. Es würde nicht wundern, wenn sich unter den weiteren Planungen der rot-grünen Koalitionäre bürgerliches Gedankengut wiederfinden würde, etwa Ideen zur Deregulierung, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu beschleunigen. Doch gegen die sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Traditionsmilieus wird Clement keine Chance haben. Das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt, daß es bis heute nicht gelungen ist, die Machtstrukturen von Kohlewirtschaft, Knappschaft und Bergbaugewerkschaft zu begrenzen. Schröder wird zum Mittel der Steuererhöhung greifen Schröder wird im nächsten Jahr den einzigen Weg gehen müssen, den er gehen kann: Er wird zum Mittel der Steuererhöhung greifen. Die Erbschafts- und Vermögenssteuer sind reine Ländersteuern, die dem Bund nichts bringen und daher für ihn uninteressant sind. Vielleicht läßt er noch einmal die Finger vom Ehegattensplitting, weil er damit im von der Union beherrschten Bundesrat scheitern würde. Aber die Mehrwertsteuer bietet sich an. Da würden auch Unionsländer mitziehen, weil sie an dieser Steuer beteiligt und genauso klamm sind wie der Bund. Und für den Bürger bestätigt sich dann wieder die alte Erkenntnis: Wahltag ist Zahltag – aber für die Wähler.

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