Ein Mann fährt 45 km/h zu schnell, wird dabei erwischt – und löst auf diese Weise eine Auseinandersetzung zwischen einem örtlichen Gericht und der Staatsanwaltschaft über das Gendern aus. Was zunächst wirr klingt, hat sich so tatsächlich in Sachsen-Anhalt abgespielt. Zuerst berichtete die Welt über den Fall.
Bereits 2023 hatten Ordnungshüter einen Autofahrer in Dessau-Roßlau dabei erwischt, wie er die Geschwindigkeitsbegrenzung außerorts offenbar massiv überschritt. Der Fall landete beim zuständigen Amtsgericht, das den Täter am 19. Februar 2025 zu einer Geldbuße in Höhe von 480 Euro plus Führerscheinentzug verurteilte.
Genderneutrale Formulierungen sorgen für Kopfschütteln
Der Betroffene wollte das nicht auf sich sitzenlassen und wandte sich an das Oberlandesgericht Naumburg. Schützenhilfe bekam er von der Generalstaatsanwaltschaft, die ebenfalls eine Aufhebung des Urteils verlangte. Grund: Das Urteil weise gravierende rechtliche Mängel auf, unter anderem weil es nicht mitteilte, ob das Meßgerät gültig geeicht war.
So weit, so unspektakulär. In ihrer Zuschrift an das OLG beschränkte sich die Staatsanwaltschaft allerdings nicht auf diese inhaltlichen Ausführungen, sondern setzte zu einer umfassenden Sprachkritik am Urteil des Amtsgerichts an. Denn: Dieses verwende „in atypischer Weise“ geschlechtsneutrale Formulierungen, so der Vorwurf.

Richter schreibt von „meßverantwortlicher Person“
Der Betroffene etwa werde „durchweg als ’betroffene Person’ bezeichnet“, obwohl es sich „unzweideutig um einen ‘Herrn‘ handelt“. Der angehörte Sachverständige werde „mit ’sachverständige Person‘ tituliert“, der Meßbeamte „meßverantwortliche Person“ genannt. „Nur der erkennende Richter selbst bezeichnet sich als solcher und nicht etwa als ’richtende Person‘.“
Der Staatsanwalt fand das „despektierlich“. Warum? „Derartige Bezeichnungen reduzieren – unter Außerachtlassung des Geschlechts als wesentliches Persönlichkeitsmerkmal – Verfahrensbeteiligte auf ein Neutrum.“ Viel mehr noch: Es bestehe die Gefahr, daß durch das Gendern „in die persönliche (Geschlechter-)Ehre eingegriffen und diese herabgesetzt wird“.
Staatsanwaltschaft bezeichnet Sprache als lächerlich
Deswegen forderte die Staatsanwaltschaft das Gericht dazu auf, statt dessen „die typische Bezeichnung“ zu verwenden – etwa „Betroffener/Betroffene“ oder „Täter/Täterin“. Das verlange auch das vom Bundesgerichtshof formulierte Klarheitsgebot. Und – ob mit oder ohne Augenzwinkern – hielt die Behörde noch fest, daß die Bezeichnung „tat-tuende Person“ doch ziemlich „ridikül“, also lächerlich, anmute. Auf die hatte aber selbst das Amtsgericht nicht zurückgegriffen.
Das OLG Naumburg schloß sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 12. Juni an. Es äußerte sich allerdings nicht ausdrücklich dazu, ob es die Ausführungen zur Gendersprache teilte, sondern kopierte sie einfach nur in das Urteil. Jetzt ist wieder das Amtsgericht am Zug. Ob es in seinem neuen Rechtsspruch nur die inhaltlich-rechtlichen Fehler ausbessert oder auch auf den sprachlichen Übereifer verzichtet, bleibt abzuwarten.