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Rückholaktion mit Tücken: Mehr Luftnummer als Luftbrücke

Rückholaktion mit Tücken: Mehr Luftnummer als Luftbrücke

Rückholaktion mit Tücken: Mehr Luftnummer als Luftbrücke

Außenminister Heiko Maas (SPD), Flughafen Miami
Außenminister Heiko Maas (SPD), Flughafen Miami
Außenminister Heiko Maas (SPD), Flughafen Miami Fotos: imago images / ZUMA Wire / MediaPunch / JF-Montage
Rückholaktion mit Tücken
 

Mehr Luftnummer als Luftbrücke

Über die Medien hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) die größte Rückholaktion der Geschichte angekündigt, von Deutschen, die wegen der Corona-Krise im Ausland festsitzen. Doch in der Realität läßt die Bürokatie die Operation „Luftbrücke“ teils zur Realsatire werden. Ein Erlebnisbericht von Frank Hauke.
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Während ich diese Zeilen schreibe, sollte ich eigentlich voller Vorfreude im Flugzeug von Miami nach Frankfurt am Main sitzen. Doch der Flug wurde annulliert, genau wie der vor 13 Tagen und wie jetzt auch der am 4. Mai. Wann ich jemals nach Deutschland zurückkomme, ist völlig ungewiß. Gewiß ist dagegen, daß mich das Auswärtige Amt seit dem 18. März ziemlich unverblümt vergackeiert. Zwischen mir und Außenminister Heiko Maas hat sich eine Posse entwickelt, die mich ein bißchen an Carl Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ erinnert.

An jenem 18. März hatte ich per E-Mail die Bestätigung erhalten, mein Eintrag in die sogenannte „Risikovorsorgeliste“ sei erfolgreich gewesen. Dort sollten sich alle Deutschen melden, die im Ausland festsitzen. Über die Medien hatte Maas die größte Rückholaktion der Geschichte angekündigt. Eines der Daten, die ich hatte angeben müssen, war der Termin der ursprünglich geplanten Rückreise. In meinem Fall wäre das der 7. April gewesen. Also trug ich ihn ein – in der naiven Hoffnung, mein Heimatland werde mir helfen, wenn der Flug ausfällt.

Während ich noch auf eine Antwort aus der Maas-Behörde wartete, meldete sich meine Fluggesellschaft am 21. März mit der bereits erwarteten Botschaft, der Flug sei gestrichen. Sie riet mir schriftlich, mich an das Generalkonsulat zu wenden. Das tat ich noch am selben Tag. Ich schrieb an die Diplomaten in Miami: „Die Lufthansa hat mich nun aufgefordert, mich bei Ihnen zu melden, um über Sie meinen Rückflug nach Deutschland zu organisieren. Als deutscher Staatsbürger bitte ich Sie dabei herzlich um Unterstützung. In die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland habe ich mich bereits eingetragen. Bisher habe ich lediglich eine Eingangsbestätigung erhalten. Wie können wir weiter verfahren?“

Tücken der Bürokratie

Zwei Tage später erhielt ich eine „Antwort“ mit der Bitte um Verständnis, daß man mir nicht individuell antworten könne. Stattdessen schickten die Spitzbuben aus Miami mir eine Liste mit 13 Links wie „Ich brauche eine Unterkunft“ oder „Ich komme (unplanmäßig) von einem Kreuzfahrtschiff“ oder „Allgemeine Informationen“. Ich klickte schließlich auf „Mein Flug ist ausgefallen“, weil mir das der vor mir liegenden Herausforderung am angemessensten erschien.

Als sich der Link öffnete, las ich mit ungläubigem Blick den ersten Satz: „Wenden Sie sich bitte direkt an die Fluggesellschaft bzw. Ihren Reiseveranstalter, um die Rückreisemodalitäten zu klären.“ Das war der Moment, als ich an Zuckmayers guten Schuster Voigt denken mußte, der eine Arbeitserlaubnis nur erhalten sollte, wenn er einen Paß vorlegte, den Paß aber nur bekam, wenn er über eine Arbeitserlaubnis verfügte. Gut, ich werde jetzt nicht mit einer Hauptmanns-Uniform verkleidet die Kasse des Auswärtigen Amtes stehlen. Aber auch 90 Jahre später treiben die Tücken der Bürokratie manche Deutsche immer noch ein Stück weit in die Verzweiflung. Zumindest mich.

Endgültig schlucken mußte ich, als mir nach der ersten Schockstarre auch der zweite Satz in die Augen fiel: „Sollte dies nicht zum Erfolg führen, bleibt nur die Buchung von Flügen in Eigeninitiative.“ Soviel also zur großangekündigten Maasʾschen „Luftbrücke“. Ich schwang mich kurz darauf ans Telefon und buchte – was ich sowieso vorhatte – einen neuen Flug. Und der wäre heute gegangen. Nach der Streichung wiederholte ich diese „Eigeninitiative“; diesmal erhielt ich ein Ticket für den 4. Mai – das inzwischen auch geplatzt ist.

Realität schlägt Theorie

Meine Korrespondenz mit den Beamten unserer Auslandsvertretung ging unterdessen weiter. Drei Tage später erreichte mich ein sogenannter „Landsleutebrief“. Darin hieß es: „Grundsätzlich empfiehlt die Bundesregierung die möglichst schnelle Rückreise aller deutschen Reisenden.“ Aha, vielen Dank für den Tipp. Auf keinen Fall sollte ich abwarten, „ob die Bundesregierung eine Rückholung nach Deutschland organisiert“.

Und dann die absolute Ernüchterung: Diese erfolge „derzeit nur bei Ländern, aus denen es keine sonstigen Möglichkeiten der Ausreise mehr gibt. Solange es noch kommerzielle Flüge aus den USA nach Europa, auch über mehrere Drittstaaten, gibt, bleiben Rückführungsaktionen der Bundesregierung zunächst auf Länder ohne regulären Flugbetrieb konzentriert.“

Was für schlaue Kerlchen doch im Auswärtigen Amt arbeiten. Ja, es gibt „kommerzielle Flüge“ – zumindest auf dem Papier. In der Realität wird einer nach dem anderen gecancelt. Was nutzt mir ein Flug, der doch nicht stattfindet?

Während meines nächsten Anrufes bei der Lufthansa kam die Dame am anderen Ende der Leitung von allein auf die „Luftbrücke“ zu sprechen. Sie zeigte viel Empathie, weil nun schon drei meiner Rückflüge gestrichen worden waren. Zu gern, sagte sie, würde sie mich auf eine der für die Rückholaktion vom Auswärtigen Amt gecharterten Lufthansa-Maschinen buchen. Aber das dürfe sie nicht. Die Behörde habe sich vorbehalten, die Fluggäste selbst auszuwählen.

Flüge nur für Auserwählte?

Hoppla, gibt es doch Maas-Flüge aus den USA? Wie auch immer – ich gehöre jedenfalls nicht zu den Auserwählten. Dafür aber zu denjenigen, die nun ein Ticket für den 20. Mai haben. Dieser eine Monat kommt mir inzwischen vor, als würde es noch ein Jahr dauern, bis ich wieder nach Hause darf. Zumal ich nicht zu wagen hoffe, daß ich dann auch wirklich abreisen kann.

Aber zurück zum Auswärtigen Amt. Denn diese Realsatire ist noch nicht zu Ende. Am 14. April sendeten die Beamten mir eine E-Mail mit dem ermutigenden Betreff: „Löschung Ihrer Daten“. Mein Herz fing an zu rasen. Im Schreiben hieß es dann, „die von Ihnen angegebene Aufenthaltsdauer im Gastland wurde überschritten“. Meine Daten in der Krisenvorsorgeliste seien daher „gelöscht“ worden.

Was für Witzbolde! Sollte die inzwischen politisch inkorrekt in „Deutschenliste“ umbenannte Datensammelei nicht genau dafür da sein? Nämlich für den Fall, daß meine Aufenthaltsdauer überschritten wird und ich nicht zurückkomme? Hätte in der E-Mail nicht in etwa stehen müssen: „Nach unseren Unterlagen ging Ihr Rückflug vor sieben Tagen. Bitte melden Sie sich bei uns, falls Sie immer noch im Ausland festsitzen.“

Aber so leicht wurde mich Heiko Maas nicht los, obwohl in der Nachricht auch der zuvorkommende Satz stand: „Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail.“ Ich entschied, mich erneut in die Liste einzutragen, denn am Ende des elektronischen Briefes befand sich ein Link genau dorthin. Wer denkt, es könne nicht mehr schlimmer kommen, hatte noch nie Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Als ich die Liste aufrief und die allererste Angabe gemacht hatte, ging es nicht weiter. Begründung: „Diese E-Mail-Adresse ist nicht vorhanden.“ Ich kann mich also kein zweites Mal registrieren. Wie einen Stalker hat mich Heiko, bevor er überhaupt mein neuer Freund hätte werden können, geblockt.

„Take it easy!“

Wenn man nunmehr auf den Tag genau ein Vierteljahr allein im Ausland ist und ungewollt mindestens noch einen weiteren Monat dranhängen muß, tut Trost gut. Und ja, es stimmt: „Es gibt Schlimmeres als in Florida gefangen gehalten zu werden.“ Wie oft haben liebe Menschen diesen Satz zu mir gesagt? Und wie oft habe ich ihn mir selbst vorgebetet? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall so oft, daß ich ihn kaum noch hören kann.

Aus dem Sunshinestate grüße ich daher mit einem fröhlichen „Take it easy!“ Aber vielleicht gelten diese drei hübschen Worte mehr mir als Ihnen? Auf keinen Fall aber unserem Außenminister.

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Frank Hauke war 13 Jahre Berlin-Korrespondent der Welt am Sonntag und des Nachrichtenmagazins Focus. Er arbeitet heute als selbständiger Medienberater, Coach und Texter von seinen Büros in der Nähe Berlins und in Naples, Florida.

Außenminister Heiko Maas (SPD), Flughafen Miami Fotos: imago images / ZUMA Wire / MediaPunch / JF-Montage
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