Zu Beginn der 1980er Jahre, als die letzte Dekade des Kalten Krieges anbricht, verrät der sowjetische Doppelagent Wladimir Wetrow dem französischen Geheimdienst, daß die Wirtschaft der UdSSR ein Patient auf der Intensivstation ist. Seine Botschaft: Die lebenserhaltenden Transfusionen hingen einzig am Tropf der westlichen KGB-Spione, durch welche die überlebenswichtige westliche Technologie in die Sowjetunion gelangt. Da hat der Große Bruder schon längst Abschied nehmen müssen von jener Vision Lenins, der zufolge der Kommunismus die einfache Summe aus Sowjetmacht plus Elektrifizierung sei. Der verkalkte Leonid Breschnjew haucht seine letzten Bruderküsse, während in den USA mit Ronald Reagan und in Frankreich mit François Mitterrand neue Präsidenten ihr Amt antreten. In dieser Phase verrät der russische Doppelagent die Strukturen der sowjetischen Industriespionage, nennt die wichtigsten Beteiligten und versorgt den Westen mit rund 4.000 strategischen und hochgeheimen Dokumenten. Seine Informationen bestärkten Reagan in der Überzeugung, daß die UdSSR zu bezwingen sei. Dank seines Wissens bluffte der US-Präsident bei den Verhandlungen mit Gorbatschow, der sich letztlich geschlagen geben mußte. Laut Richard Perle, seinerzeit Staatssekretär im Pentagon, hat der bis heute nur Eingeweihten bekannte Agent den Lauf der Geschichte wesentlich beschleunigt. Sein Deckname Farewell indes sollte sein Schicksal vorwegnehmen. Er wurde später in Moskau des Hochverrats angeklagt und im Januar 1985 hingerichtet. Erst jetzt, da die noch lebenden Beteiligten sich äußern und die Archive zugänglich sind, tritt Wetrows Geschichte in die Öffentlichkeit. Zu Wort melden sich Ex-KGB-Chef Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow, und auch Außenminister a. D. Hans-Dietrich Genscher bricht sein Schweigen.