Zu den Helden in Alexander Solschenizyns berühmtem Roman „Im ersten Kreis der Hölle“ gehört die Figur „Lew Rubin“. Hinter ihr verbirgt sich der Literaturwissenschaftler und Germanist Lew Kopelew. Kennengelernt hatten sich beide während der gemeinsamen Lagerhaft. Zu zehn Jahren war Kopelew verurteilt worden, weil er sich in seiner Funktion als Propagandaoffizier beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in Ostpreußen für eine menschenwürdige Behandlung der deutschen Bevölkerung eingesetzt hatte. Nach seiner Freilassung 1954 engagierte sich Kopelew zunehmend für Andersdenkende, etwa für Solschenizyn oder Andrej Sacharow. 1981 wurde er mit seiner Frau Raissa Orlowa vom Breshnjew-Regime ausgebürgert.
Kopelews neue Heimat – er starb 1997 – wurde Köln, in der Nähe seines Freundes Heinrich Böll. Neben diesem zählten auch Günter Grass und Siegfried Lenz zu jenem literarischen Terzett, das im Deutschunterricht der alten Bundesrepublik einen kanonischen Rang einnahm.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ausgerechnet Lenz – dessen erfolgreichster Roman die „Deutschstunde“ ist – anders als seine Kollegen keinen Nobelpreis erhielt; gleiches gilt für Lew Kopelew. Am kommenden Sonntag jedoch finden beide Namen zueinander: Denn der 1926 in Lyck (Masuren) geborene Lenz erhält den undotierten Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte 2009, den vor ihm unter anderem auch der israelische Publizist Uri Avnery und der palästinensische Politologe und Philosoph Sari Nusseibeh erhalten haben. Gewürdigt werden Lenz’ Verdienste für einen Ausgleich zwischen den Völkern. Er steht damit in der Tradition Lew Kopelews, der schon früh ein überzeugter Europäer war – und als russischer, deutscher sowie Weltbürger gesehen wurde. Als Laudator tritt CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Erscheinung.