Zum paradoxen Kennzeichen westlicher, oder genauer: kapitalistischer Kultur gehört die Erkenntnis, derzufolge das Ritual popkultureller Subversion über kurz oder lang selbst zum verwertbaren Bestandteil jenes Kulturbetriebs wird, den zu unterlaufen es vorgibt. In Diktaturen dagegen offenbart sich in diesen Fällen der prinzipielle Unterschied, werden hier doch Gesellschaft und Staat in eins gesetzt. Wie sich das hieraus resultierende Spannungsfeld darstellt, zeigt ein Arte-Themenabend, der die aktuelle Situation in China und Weißrußland untersucht. Während in der größten Diktatur Asiens die ideologische Durchherrschung an Kraft verliert, ist sie unter Alexander Lukaschenko noch deutlich spürbar. Die letzte kommunistische Diktatur Europas hat sich unter dem Wirken ihres Präsidenten von der demokratischen Welt weitgehend isoliert. Hoffnung keimt dennoch in der Jugend, die gegen den autoritären Apparat der Machtzentrale in Minsk aufbegehrt.
Deutlich wird dies an der Popularität heimischer Rockgruppen, die gegen das System opponieren. Dabei greifen diese zurück auf nationale Traditionen. Sie bedienen damit ein Defizit, hatte doch Lukaschenko die sowjetischen Wahrzeichen – Flagge und Wappen – in modifizierter Form zu den neuen Staatssymbolen erklärt, ohne auf nachhaltigen Widerstand zu stoßen. Ein herausragendes Beispiel für patriotische Renitenz bietet da die Band Tarpacz. Die Punkrock-Interpretationen ihrer Leadsängerin Svietlana Sugako sind nicht nur äußerst dynamisch, ihnen eignet auch ein Hauch Barrikadenkampf. So schwingt sie während der Konzerte die verbotene weiß-rot-weiße Nationalflagge und schmettert mit dem Publikum „Belarus lebt“. Die schon seit einem Jahrzehnt bestehende Gruppe NRM mit ihrem Frontmann Lavon Volski setzt hingegen auf Abstand und Ironie – im Leben wie in der Musik. Doch beide Bands säen eine Saat, die schon bald aufgehen könnte.