Dumm dran ist, wer noch eine Woche vor dem Heiligen Abend unentschlossen sein sollte, was er zum Fest denn schenken könnte, oder wer im geballten Angebot an Weihnachtsfirlefanz in den Supermärkten und Kaufhäusern die Übersicht verloren hat, wie man seinen Lieben denn nun am 24. Dezember ff. die richtige lauschige Atmosphäre bereitet. Hoffnungslos Verzweifelten wäre dann vielleicht zu raten, zum Prospekt "Deutsche Weihnacht 2004" aus der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme zu greifen.
"Er symbolisiert in seiner Form den Mitternachtsberg und gilt als Sinnbild des scheidenden Jahres. Zur Sonnenwende, zur Zeit des wiederkehrenden Lichtes, wird das Licht auf dem Leuchter entzündet als Symbol für den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit." Nach dieser mitgelieferten Erklärung ist auch der Allerletzte versucht, sich umgehend den 22 Zentimeter großen "Julleuchter" ins Dezember-Fenster zu stellen. Neben 32 Euro 50 sind die potentiellen Kunden wie Ronny, Cindy und Silvio damit schließlich auch um eine entscheidende Wissenslücke erleichtert. Und damit winterlichen Passanten gleich klar ist, wo beim Bewohner Barthel den Most holt, kann man gleich den unwesentlich kleineren "Reichsadler auf Marmor" danebenstellen. Unnötig der Hinweis im Prospekt, daß der leerstehende Eichenkranz in des Aars Fängen auch mit "einem Eisernen Kreuz versehen werden kann". Vielen Käufern wird da sicher auch noch etwas Eckigeres einfallen. Doch diese Anspielung läßt man lieber ungesagt.
Mit der Streitaxt gegen zu viel Weihnachtsromantik
Beim weihnachtlichen "Soldatenkopf – Heer" mit unverwechselbarem Stahlhelm oder der perfekt als Briefbeschwerer zu gebrauchenden "Deutschen Flugabwehrkanone" verbiegt man sich für spezielle Chiffren erst gar nicht. Praktischerweise hat die Kanone das Kaliber 8 Komma 8, und beim Stahlhelm grüßt der Besteller gern mit 88 Euro 80 (88 steht dabei für "Heil Hitler", eine Anspielung auf die achten Buchstaben im Alphabet).
Dort ist man auch gleich bei der historischen Verortung der doitschen, pardon: deutschen Weihnacht angekommen. Denn natürlich vermißt man in diesem Weihnachtskatalog nicht das dringend benötigte Schild "Luftschutzkeller" mit dem Hinweis "Den Anordnungen des Blockwartes ist unbedingt Folge zu leisten" oder das "nostalgische Werbeschild" mit den Frakturlettern "Wolfsschanze" für den zum Führerhauptquartier umfunktionierten Hobbykeller. Auch schwelgt der "Nationaldemokrat" dahin, wenn er den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am Heiligen Abend die "Weihnachtsansprache an die Deutschen im Ausland" von 1936 reden hört – genauso wie beim Auflegen der "Kriegsweihnacht 1940", wo Kinderchöre Weihnachtslieder für die Landser singen. "Narvik. Wir grüßen Narvik".
Währenddessen leuchten bei der kleinen Tochter unter dem Weihnachtsbaum die Augen, wenn sie statt Barbie und Ken dieses Jahr das Puppenmodell "Rottenführer der 12. SS-Panzerdivision Hitlerjugend" ins Bettchen bringen darf. Der kleine Kevin bastelt unterdessen das Panzermodell "Jagdpanther" zusammen, und Mutti schreibt letzte Weihnachtsgrüße an die liebe Verwandtschaft – natürlich auf den "Postkarten mit fünf Persönlichkeiten der deutschen Geschichte". Opa bekommt Hindenburg, Onkel Ede Ludendorff, Cousin Maik Wilhelm II., der Bruder in Hamburg den Alten Fritz, und der Freund in der Sächsischen Schweiz muß mit Bismarck statt seines späteren Reichskanzler-Nachfolgers vorliebnehmen.
Hat man dann die Heilige Nacht mit einer zünftigen Flasche "Honigmet" beschlossen – selbstredend "wie die alten Germanen" aus dem Trinkhorn -, träumt es sich um so süßer von den wunderschönen Geschenken, die den Gabentisch bereichern: das Tischfähnchen inklusive Ständer "Schwarz-weiß-rot" für das nächste Treffen mit Gleichgesinnten, die Gürtelschnalle "Wikingerhelm mit Schwert und Axt" und die ebenso wunderschöne wie geschmackvolle "Buchstütze ‚Nordischer Held’", bei der ein Fantasiekrieger mit einem mindestens Zehnhänder-Schwert für den Tribut von schlappen 57 Euro 80 die demnächst anzuschaffenden Bücher vor dem Umfallen schützt.
Dieser Wikinger hätte ebenso wie seine seitenlang im Katalog angepriesenen kunterbunten Kämpfer wahrscheinlich längst die Streitaxt gegen so viel Weihnachtsromantik geschwungen. Doch der DS-Verlag weiß dieses Heer mit der wahren Orientierung milde zu stimmen, denn die Devotionalien mit dem Schriftzug "Odin statt Jesus" räumen mit allen christlichen Bezügen zu des Heilands Geburtstag gründlich auf.
Sollte der Empfänger trotz aller Bezuglosigkeit zu christlichen Traditionen der "deutschen Weihnacht" dennoch Äußerlichkeiten vermissen, so kann er statt eines Weihnachtbaumes für die nächste "Sonnenwendfeier" gleich ein aus Heu und Stroh geflochtenes Sonnenrad "verziert mit schwarzen, weißen und roten Bändern" wählen. Auch dafür ist im nordisch-okkultistischen Gemischtwarenladen gesorgt. Und hat der Raum fünf Wände, bekommt man die dafür notwenigen Strohringe für hundert Euro sogar versandkostenfrei.
Statt des christlichen kann man sich das "Irminsul-Glaubensbekenntnis" vom XXL-T-Shirt ablesen – im nächsten Jahr, wenn man statt des Weihnachtsfestes dann vollkommen auf die Sonnenwendfeier drei Tage früher umgesattelt ist. Für alle Weicheier gibt es dieses dann natürlich auch auf der warmen Kapuzenjacke.
Foto: "Odin statt Jesus": Der erlesene Nippes für Ronny, Cindy und Silvio erwärmt die Herzen