Deutschland ist reich an ‚Besten‘: Viele haben Bedeutendes geleistet, ob Könige, Politiker, Sportler oder Künstler.“ Die Sätze stammen nicht etwa aus einer Rechtsaußen-Broschüre, sondern sind Teil der offiziellen Werbung für eine ZDF-Serie, die am 7. November anlaufen wird. Ziel dieser Sendereihe, die unter dem Namen „Unsere Besten“ präsentiert wird, ist es, mit Hilfe von Zuschauerabstimmungen den „größten Deutschen“ aus Geschichte und Gegenwart zu ermitteln. Vorbild der „Doku-Show“ ist das BBC-Format „Great Britons“, wobei – wie überraschend – Winston Churchill zum Sieger gekürt wurde. Die Finalsendung, die Ende vergangenen Jahres über die dortigen Bildschirme lief, wurde von bis zu drei Millionen Zuschauern auf der Insel verfolgt. Die Zahl der aktiv an der Wahl Beteiligten konnte von zunächst rund 30.000 auf 1,2 Millionen gesteigert werden. Es ist also durchaus verständlich, daß das ZDF auf ein vergleichbares Zuschauerinteresse hofft. Im Gegensatz zum britischen Original wirkt in der deutschen Fassung jedoch bereits die Wahl des Sendetitels wenig attraktiv. „Unsere Besten“ lautete früher die Überschrift auf jenen Wandzeitungen, an denen in den Betrieben des ehemaligen kommunistischen Machtblocks Porträts der Aktivisten der sozialistischen Arbeit angeheftet wurden. Doch wahrscheinlich wäre ein offizieller Sendetitel wie „Die Größten der deutschen Geschichte“ doch etwas zu patriotisch gewesen. Natürlich wird die Wahl ganz nach demokratischen Prinzipien verlaufen. „Die Frage nach dem größten Deutschen kann weder vom Duden noch vom Deutschen Historischen Museum beantwortet werden, sondern nur – ganz demokratisch – von allen Deutschen“, beteuert der Fernsehkanal und betont: „Diese Leistungen will das ZDF mit der Suche nach ‚unseren Besten‘ würdigen. Die Reise durch die Zeit wird zeigen, wen die Deutschen für wirklich wichtig halten.“ Wer nun aber denkt, vollkommen frank und frei zur Wahl schreiten zu können, befindet sich auf dem Holzweg. Um der Gefahr zu großer Überraschungen zu begegnen, hat die zeitgeschichtliche Redaktion des ZDF schon einmal eine Vorauswahl von 300 Persönlichkeiten getroffen. Nach Projektleiter Peter Arends wurden zur Erstellung dieser Liste, die von Hermann Josef Abs über Dieter Bohlen, Thomas Gottschalk, Heino, Oswalt Kolle, Udo Lindenberg, Alice Schwarzer bis Konrad Zuse reicht, neben der politischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Leistung ein „sympathischer“ Gesamteindruck sowie „Nachhaltigkeit“ als Kriterien herangezogen. Noch problematischer ist aus basisdemokratischer Sicht allerdings die Rolle, die einigen prominenten Unterstützern zugedacht ist. Diese wählen ihrerseits einen persönlichen Favoriten, dessen Kandidatur sie im „Wahlkampf“ hilfreich mit Hilfe von Pro-Argumenten stützen. Mögliche „Größen“, die nicht schon im Vorfeld die Hilfestellung von einem solchen „prominenten Paten“ erhalten, dürften daher zumindest in späteren Abstimmungsrunden überhaupt keine Chance mehr haben. Zudem wird dann wiederum die historische Abteilung selbst in den Wahlvorgang eingreifen, indem in fünf Sendungen „Stärken und Schwächen“ dieser letzten zehn Kandidaten präsentiert werden. In welchem Maße dabei Neutralität gewahrt werden kann, steht in den Sternen. Letztlich wird jedoch auch hierbei das Abstimmungsergebnis mehr von der Sympathie des Publikums gegenüber den Unterstützern und weniger von den durch sie vertretenen Personen abhängen. Das größte Manko der Sendungen liegt indes in den fehlenden Kategorisierungen. Es ist ebenso albern, Politiker wie Hans-Dietrich Genscher, Hildegard Hamm-Brücher, Petra Kelly, Helmut Kohl oder Klara Zetkin gegen Künstler (Johann Sebastian Bach, Max Ernst, Nina Hagen, Franz Marc, Carl Spitzweg, Richard Strauß) oder Sportler (Franziska van Almsick, Sven Hannawald, Michael Schumacher) als direkte Kontrahenten zu nominieren, wie eine Wahl zwischen Zeitgenossen (die in der ZDF-Vorschlagsliste über 40 Prozent ausmachen und naturgemäß oftmals über den Bildschirm flimmern) und Persönlichkeiten aus den Geschichtsbüchern wie Heinrich dem Löwen, Luise von Preußen, Otto von Bismarck, Ludwig II. von Bayern oder Kaiser Otto I. Zweierlei Trost für all diejenigen, deren persönlicher Favorit keine Chance haben wird, kann schon jetzt gespendet werden: Zum einen konnten selbst die Mitglieder des ZDF-Nominierungskreises nicht alle Wünsche durchsetzen. So wurde beispielsweise Claudia Schiffer der von Arends favorisierten Heidi Klum vorgezogen. Zum anderen werden letztlich nicht die Macher der ZDF-Serie oder die Zuschauer eine Entscheidung über die „Besten“ treffen, sondern unsere Nachkommen durch ihre Art der Geschichtsbetrachtung. Erst sie werden festlegen, wer es tatsächlich verdient, das Ehrenprädikat „groß“ zu erhalten und wessen Stern nur für ein kurzes Aufflammen in den Massenmedien gesorgt hat.
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