LEIPZIG. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat Wege hin zu einer Anfechtung des Rundfunkbeitrags vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (BVerfG) skizziert. In einer am Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung betonten die Richter, die Beitragspflicht entfalle dann für einen Kläger, wenn „das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen „Beitragspflicht“ und „Programmqualität“.
Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags erst bei gröblicher Verfehlung der Programmvielfalt: https://t.co/WgI3ojerJc
— BVerwG.de (@BVerwG_de) October 15, 2025
Geklagt hatte eine Frau aus Bayern, die ihren Rundfunkbeitrag mit Verweis auf fehlende Vielfalt beim Bayerischen Rundfunk (BR), aber auch bei ARD und ZDF, nicht mehr zahlen will. In seinem Urteil steckte das BVerwG erstmals ab, wie dieses Anliegen in Karlsruhe zur Verhandlung gebracht werden könne. So müsse ein Mindestzeitraum „nicht unter zwei Jahren“ für eine Beanstandung der Berichterstattung angeführt werden. Zudem sollten Anhaltspunkte in Form von „wissenschaftlichen Gutachten“ vorliegen, um den Verdacht der Einseitigkeit zu erhärten. Erst dann, urteilte das BVerwG, könne ein Fall überhaupt an das BVerfG überwiesen werden.
Richter setzen hohe Hürden für Verhandlung in Karlsruhe
Die Schwelle für eine Beanstandung der Beitragspflicht sei allerdings auch dann noch hoch, unterstrichen die obersten Verwaltungsrichter. Der Gesetzgeber habe einen „weiten Spielraum“ in der Frage, wie er die Beitragspflicht ausgestalte – daher müsse schon ein „grobes Mißverhältnis“ zwischen Programmqualität und Abgabelast vorliegen, um die Gebühren zu kippen. Die Ausgewogenheit in der Berichterstattung sei ein nicht meßbarer „Zielwert“, der sich stets nur „annäherungsweise“ erreichen lasse. Zudem müsse immer auch die Programmfreiheit beachtet werden, die Sender müßten in der Lage sein, ihre Inhalte eigenverantwortlich zu gestalten.
Die konkrete Klägerin wurde von den Richtern derweil zurück an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen, um dort die geforderten Belege zu erbringen. Ihre Chancen wurden in der Verlautbarung allerdings als „überaus zweifelhaft“ bezeichnet.
Anwalt der Klägerin: „Das ist ein Gewinn für alle Beitragszahler“
Der Rechtsanwalt der Klägerin, Harald von Herget, wertete die Entscheidung der JUNGEN FREIHEIT gegenüber dennoch als Erfolg. „Das ist auf jeden Fall ein Gewinn für alle Beitragszahler und auch für die Vielfalt im Rundfunk“, unterstrich der Jurist nach Urteilsverkündung. Die Öffentlich-Rechtlichen müßten sich nun anstrengen, um ihrem Auftrag auch wirklich gerecht zu werden.
Das sei im Fall der Journalistin Julia Ruhs auch schon zu beobachten, wo sich der BR sichtlich um mehr Ausgewogenheit bemühe. Der Sender hatte die Moderatorin der Sendung „Klar“ zuvor gegen Kritik aus dem NDR in Schutz genommen und an ihr festgehalten (JF berichtete). „Wenn sich das durchsetzt, profitieren am Ende alle davon“, sagte der Anwalt.
Bund der Beitragszahler sammelt Geld für anstehende Prozesse
Die für eine Klage gegen den Rundfunkbeitrag gesetzten Hürden seien trotzdem „sehr hoch“, mahnte von Herget weiter: „Eine Verfehlung beim gesamten Programmangebot von ARD, ZDF, Deutschlandradio und ihren Telemedien aufzuzeigen, so wie die BR-Justitiarin das Urteil versteht, um fehlende Ausgewogenheit zu beweisen, wäre sehr umfangreich und sehr teuer.“ Nur äußerst wenige könnten sich dann noch eine derartige Klage leisten. Der Bund der Rundfunkbeitragszahler, dessen Vorsitzender der Rechtsanwalt ist, bemühe sich derzeit, Geld für anstehende Verfahren zu sammeln – insbesondere für die Klägerin.
Er hoffe, so von Herget, daß seine Mandantin den Rechtsweg auch weiterhin beschreite, schließlich handele es sich dabei um ein „Pilotverfahren“. Jetzt gehe es erst einmal darum, auf die konkrete Urteilsbegründung des BVerwG zu warten. (fw)