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Zum Tod von Jürgen Mladek: Ein glorreicher Halunke

Zum Tod von Jürgen Mladek: Ein glorreicher Halunke

Zum Tod von Jürgen Mladek: Ein glorreicher Halunke

Jürgen Mladek war Journalist bei vielen Zeitungen und ein Aushängeschild
Jürgen Mladek war Journalist bei vielen Zeitungen und ein Aushängeschild
Jürgen Mladek: Verstarb unerwartet im Alter von nur 56 Jahren Foto: Nordkurier/Montage JF
Zum Tod von Jürgen Mladek
 

Ein glorreicher Halunke

Jürgen Mladek war anders. Während die meisten Chefredakteure von Tageszeitungen längst die Schere im Kopf haben, wollte er auch immer die andere Seite zu Wort kommen lassen. Gedankt wurde ihm das nicht. Ein Nachruf.
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Es sind dunkle Tage im November 2020. Nicht nur, weil die Sonne zu dieser Zeit ohnehin viel zu früh hinter dem Horizont verschwindet. Die Bundesregierung ruft gerade mal wieder wegen des Coronavirus einen „Lockdown light“ aus. Kontakte sind auf zwei Haushalte begrenzt, Gastronomie und Tourismusbranche müssen wieder schließen. Verzweifelte Eltern, panische Politiker. Angst liegt in der Luft. Sie legt sich wie über das ganze Land. Jürgen Mladek hat an diesem Novemberabend keine Angst.

„Was ist eigentlich los in diesem Land, Herr Hoffgaard?“, fragt er mit einem dieser – wie es in Romanen immer so schön heißt – durchdringenden Blicke. Dinge zu durchdringen. Das ist es, was Mladek will. Er stellt viele Fragen an diesem Abend. Vor allem über die AfD, für die ich damals tätig war. Er will die Partei verstehen. Jenseits aller Überschriften oder Einschätzungen von staatlichen Institutionen. „Das ist doch meine Aufgabe, oder?“ Wieder so eine Frage. Aber die beantwortet er sich selbst. An diesem Abend und auch sonst.

„Und das ist doch auch ein Problem, oder?“

Mladek ist zu jenem Zeitpunkt Chefredakteur des Nordkuriers. Einer Tageszeitung aus Mecklenburg-Vorpommern. Mehr Vorpommern als Mecklenburg. Mehr Dorf als Stadt. Mehr alt als jung. Neubrandenburg, Anklam, Pasewalk. Die großen Lokalredaktionen sitzen in Städten, die im Sterben liegen. Man muß schon ein spezieller Typ sein, um hier Journalist zu sein. Weil die Menschen es einem oft nicht einfach machen. Gerade so einem aus dem Westen.

Sein Volontariat macht Mladek bei den Fränkischen Nachrichten in der tiefen bayerischen Provinz. Doch schnell verschlägt es den Familienvater in den „wilden Osten“ – unter anderem zum Berliner Kurier. Wilder als Ostberlin ist dann nur noch Vorpommern. 2011 wird Mladek Redaktionsleiter beim Nordkurier in Neubrandenburg, später dann Chefredakteur.

Da sitzt er also nun an diesem Novemberabend und fragt: „Was ist eigentlich los in diesem Land, Herr Hoffgaard?“ Was soll man darauf schon antworten? „Ich glaube, wir verstoßen gerade gegen eine der Corona-Maßnahmen.“ Die gestammelte Antwort bringt ihn zum Schmunzeln. „Und das ist doch auch ein Problem, oder?“ Man sollte einem Journalisten nicht vorwerfen, immer neue Fragen zu stellen. Es ist halt deren Aufgabe.

Mladek stellt sich hinter seine Autoren

Wer Mladek zuhört, lernt einen Reporter kennen, wie es sie heute gar nicht mehr gibt. „Das größte Problem am deutschen Journalismus ist, daß ihm die Journalisten ausgehen“, schreibt er einmal per SMS. Er will sich damit nicht abfinden. Immer wieder erscheinen im Nordkurier kritische Texte zur Corona-Politik. Texte, wie es sie zu der Zeit sonst nicht gab in einer deutschen Lokalzeitung.

Das Ergebnis ist ein Shitstorm. Vor allem von anderen Journalisten. „Fake News und Hofberichterstattung für die Querdenken-Bewegung“, schreibt da etwa das Neue Deutschland, die Mutter aller Fake-News-Schleudern. Die taz diagnostiziert aufgeregt: „Das Lokalblatt ‘Nordkurier’ fällt zunehmend durch seine Nähe zur ‘Querdenken‘-Bewegung auf.“

Mladek hält Kurs und antwortet mit einem bemerkenswerten Text. „Man findet kaum Beiträge über Kritiker der Regierungsmaßnahmen, die nicht tugendhaft signalisieren, daß die Maßnahmenkritiker für diese Journalierenden allesamt und selbstredend komplett verschwurbelte rechte Irre sind“, schreibt er da etwa. Oder so etwas: „Aburteilen ohne zuerst Fragen zu stellen, auch das ist übrigens kein Journalismus, sondern wieder nur Propaganda. Der Nordkurier wird sich daran auch in Zukunft nicht beteiligen.“ Auch bei anderen Themen gibt es beim Nordkurier oder der Schwäbischen Zeitung, deren Chefredaktion Mladek seit 2022 leitete, immer wieder Reportagen und Berichte, die Dinge kritisch hinterfragen, die kaum noch jemand kritisch hinterfragen will.

Die Kritiker wird er nicht mehr los

Auch das nimmt man ihm übel. „Das ist alles saugefährlich“, urteilt vor einigen Jahren Benjamin Fredrich – Gründer des Katapult-Magazins – über Mladek. Er unterstellt dem Nordkurier immer wieder Rassismus, schwadroniert von „Mordphantasien“. Dem Nordkurier unterstellt Fredrich, gegen „Pressekodex und das Grundgesetz“ zu verstoßen. Er kündigt eine Gegenzeitschrift an, will sein Kartenmagazin zur Anti-Nordkurier-Zeitung im Nordosten machen – und scheitert damit natürlich auf ganzer Linie.

Die „Kritiker“ wird Mladek dann nicht mehr los. Schon beim Nordkurier wird hinter seinem Rücken über ihn hergezogen. „Redakteure berichten“, heißt es in den Schauermärchen dann immer über Mladek auf irgendwelchen Medienportalen, die vor allem von Journalisten gelesen werden. „Klimakrise in Ravensburg“, titelt Ende Juni zum Beispiel der „Medieninsider“. Diese Texte sind immer gleich aufgebaut. Die Kritik kommt anonym – Mladek antwortet öffentlich.

Ein einsamer Cowboy

Die taz überschrieb einen ihrer Enthüllungsartikel mit dem Titel „Der Gute, der Böse, das Drama“. Ein Verweis auf den legendären Western „Zwei glorreiche Halunken“ – im Original „The Good, the Bad and the Ugly“.

Vielleicht trifft diese Western-Anspielung das Leben von Jürgen Mladek – der einmal fragte, ob er nicht den „Club der unverstandenen Chefredakteure“ gründen solle – und seinen Kampf um einen besseren Journalismus aber ja doch ganz gut. Hier der einsame Cowboy, dort die aufdringlichen, grell gekleideten Animiermädchen, die sich an ihn ranschmeißen und ein bißchen Aufmerksamkeit erhaschen wollen, bevor der Held in den Sonnenuntergang reitet.

Am 10. Juli starb Jürgen Mladek mit 56 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes.

Jürgen Mladek: Verstarb unerwartet im Alter von nur 56 Jahren Foto: Nordkurier/Montage JF
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